Lessings Fabeln – Kampfmittel der Aufklärung?
Eine Untersuchung zur Fabeldichtung Lessings und ihrer gesellschaftlichen und philosophischen Basis im 18. Jahrhundert

Nie erfreuten sich Fabeln in der deutschen Literatur größerer Beliebtheit als im Zeitalter der Aufklärung. Alles, was Rang und Namen hatte, schrieb Fabeln. Aus heutiger Sicht werden Fabeln intuitiv der Kinderliteratur zugerechnet, ein Umstand, der ihre Beliebtheit in der Frühen Neuzeit umso bemerkenswerter erscheinen lässt. Anhand von Lessings Fabeln und seiner Fabeltheorie wird gezeigt, dass die Gattung einst ein literarischer Ort war, an dem sich Philosophie und Moral eines erwachenden Bürgertums kreuzten.

Von

1 Einleitung

Einen der kleinen, wahrscheinlich im Herbst 19201 entstandenen Texte Franz Kafkas, den er in dessen Nachlass gefunden hatte, überschrieb Max Brod mit den Worten Kleine Fabel2. Eine Maus hetzt es in ihm umher, gefangen zwischen Mauern, getrieben durch Zimmer, die so kahl sind, dass kein weiteres Wort über sie verloren wird. Schließlich in den Winkel des letzten Raumes vordringend, das jähe Ende des Weges erkennend, plötzlich gefangen, dort, wo ihr nur noch der Rückweg offen steht, verschließt auch dieser sich – von höhnischen Worten begleitet.

Äonen scheinen zwischen der Verzweiflung und Ausweglosigkeit, die aus diesem Text spricht, und dem nach vorne gewandten, auf Weiterentwicklung des Menschen zielenden Bild der Aufklärung zu liegen. Das positive Welt- und Geschichtsbild der Aufklärung, für das auch Lessings Fabeldichtung steht, wird in Kafkas Anti-Fabel nachgerade verspottet: Die Vorstellung von einer steten Verbesserung des menschlichen Daseins verwandelt sich in ihr in eine Aporie, in der das rasende Leben in Ausweglosigkeit und die Leere eines endgültigen Stillstands mündet. Kafkas Fabelwelt kennt kein Vor und kein Zurück, sie reduziert sich auf ein hoffnungsloses Jetzt. Hätte Lessing jemals eine derart desillusionierende Fabel schreiben können?

Nicht nur das im Wesentlichen positive Weltbild der Aufklärungsepoche ist seit dem 18. Jahrhundert verloren gegangen; auch die Bedeutung der Gattung selbst scheint schon Anfang des 20. Jahrhunderts im Nirgendwo verschwunden. Als eine europäische Zentralgattung3, wie es Theo Elm und Peter Hasubek formulierten, wirkte sie in allen Ländern Westeuropas noch zu Lessings Zeiten, als Aschenbrödel auf das Gebiet der Kinderliteratur verwiesen4 steht ihr Otto Weddigen in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts gegenüber. Und diese Stellung scheint sie heute noch oder, wenn man so möchte, heute wieder innezuhaben. Scheint es doch kaum vorstellbar, dass ein zeitgenössischer Dichter von Rang eine Fabelsammlung publizierte.

Die aus heutiger Sicht merkwürdige Beliebtheit der Textgattung Fabel im 18. Jahrhundert wirft einige Fragen auf, denen ich im Folgenden nachgehen möchte. Was machte die Fabel damals so populär? Auf welchen gesellschaftsphilosophischen Ideen gründete diese Popularität? Und wie verwirklichten sich diese Ideen in den Fabeln Lessings? Schließlich: Wenn diese Literaturgattung so typisch für jene Zeit war, lassen sich Lessings Fabeln dann als Kampfmittel der Aufklärung apostrophieren?5

2 Was ist eine Fabel?

Ziel meines Aufsatzes ist es zwar nicht, einer allgemeingültigen Definition des Fabelbegriffs nachzustellen. Ich will mich, wie gesagt, vielmehr um eine Darstellung des Gattungsbegriffs bemühen, wie er im philosophischen und literarischen Kontext des 18. Jahrhunderts, dem Zeitalter der Aufklärung, aufgefasst wurde. Dennoch halte ich es für angebracht, einleitend einige kurze Bemerkungen über die Abgrenzung zu anderen literarischen Gattungen einzuschieben, sodass eine Gattungsdefinition, wie ich sie verstehe, in ihren Grundzügen für den weiteren Fortgang des Aufsatzes herangezogen werden kann.

Lidija Vindt beginnt ihren Aufsatz Die Fabel als literarisches Genre mit der allgemeinen Bemerkung, dass sich die Bestimmung eines literarischen Genres nicht aus seinen Einzelwerken, sondern allein im komplexen Zusammenspiel aller Werke einer Epoche erschließen lasse.6 Ungleich schwerer dürfte es fallen, eine Literaturgattung, die auf eine mittlerweile über dreitausendjährige Geschichte7 zurückblicken kann, auch nur grosso modo zu erfassen. Ist doch im Zuge der Zeit noch jede traditionelle Überzeugung, jede kulturelle Eigentümlichkeit modifiziert worden; und somit auch die Auffassung darüber, welche Funktion einer literarischen Gattung zugeschrieben wird und welche formalen Prinzipien sie zu erfüllen habe.

Feststellen lässt sich gleichwohl, dass die Fabel eng mit Parabel und Gleichnis verwandt ist; beides Gattungen, die, wie sie, auf parabolischer Rede fußen, die zwischen Bild- und Sachhälfte unterscheiden und einen Vergleichspunkt, ein tertium comparationis, haben, das als Nexus zwischen den unterschiedlichen Teilen fungiert. Wird literarische Rede verschlüsselt, so legt dies die Vermutung nahe, dass etwas gesagt werden soll, was entweder nicht gesagt werden darf, nicht gesagt werden kann oder indirekt gesagt werden will. Hinter der Kodierung einer Fabel steht folglich der Appell, sie zu dekodieren, und hinter diesem vom Autor initiierten Akt des Dekodierens steht der Wunsch, dass der Leser das Entschlüsselte inniger, intensiver aufnehme. Gleichnishafte Rede will lehren. Der Niederschlag dieser Lehre in einer eigens ausgewiesenen Moral scheint für Fabeln eher sekundär zu sein, wenngleich dieses Phänomen eine lange Tradition hat. Die relative Kürze, welche häufig von einer reduzierten, unprätentiösen Sprache und Aussparungen begleitet wird, scheint dementgegen eher zum Kern der Gattungsdefinition zu zählen. Aussparungen betreffen hier vor allem die zeitliche und örtliche Situierung sowie das Personal der erzählten Welt. Ferner zeigt sich eine Dominanz von Figuren aus der Tier- und Götterwelt, wobei auch in dieser Hinsicht die Gattung relativ offen ist. Gleiches gilt für die Gruppierung um eine Konfliktsituation, die nicht notwendigerweise in hochdramatischer, sondern auch in verspielt-humoristischer Art und Weise aufgelöst werden kann.8

Bleibt noch die Frage nach der Abgrenzung zu den Schwestergattungen Parabel und Gleichnis zu stellen. Erwin Wäsche sieht den Unterschied zwischen Fabel und Parabel darin begründet, dass die Parabel total ist und den ganzen Lebenshorizont nach seiner Höhe und Tiefe umgreift, sich rational und im Klartext nur sehr schwer, manchmal überhaupt nicht formulieren9 lasse. Ich halte jedoch Positionen anderer Forscher, die eine solche Unterscheidung als künstlich10 bezeichnen, für eher zutreffend. Die Übergangszonen zwischen den Gattungen sind zu breit, als dass sie sich definitorisch derart eingrenzen ließen, wie Wäsche es versucht.

3 Die Ideen der deutschen Aufklärung

Aufklären, das ist zunächst ein Bild. Es beschwört die Vertreibung der Dunkelheit und das Eintreten in eine helle, in jeder Hinsicht klare Welt. Dieser Akt ist aufs Engste mit dem Gebrauch des Verstandes verknüpft. So kann ein unbekannter Autor, der über die Dunckelheit derer Gedancken11 schreibt, schon 1734 fordern: So weit demnach die Kräfte unsers Verstandes reichen, müssen [d. h. dürfen] wir bei dunckeln Begriffen nicht stehen bleiben12. Diese Grundhaltung, die Reichweite des Verstandes voll auszumessen, war das verbindende Merkmal der Aufklärung über alle europäischen Länder hinweg.13 Die große Ausdehnung der Bewegung, die nationale und religiöse Grenzen einerseits überschritt, von ihnen andererseits aber auch geprägt wurde, macht es schwer von der Aufklärung par excellence zu sprechen.14 Es bestünde zwar durchaus die Möglichkeit zum Beispiel das Denken Kants und das Voltaires einander gegenüber- und ihre Gemeinsamkeiten herauszustellen. Doch benötigte ich für dieses Vorhaben solch äußerlich zunächst sehr verschieden anmutender Personen wie Voltaire, der sich als junger Mann, in der Pariser Gesellschaft bald den Ruf eines ebenso geistreichen wie leichtsinnigen Spötters zuzog15, also Mann von Welt war, und den Königsberger Professor, der das nähere Umfeld seiner Stadt nie verlassen hat, Raum, den ich hier nicht habe. Dass das Denken der Aufklärungsphilosophen selbst in den einzelnen Nation nur schwerlich auf einen Nenner zu bringen ist (vgl. z. B. die Beziehung zwischen Voltaire und Rousseau), wäre dabei noch gar nicht berücksichtigt. Ferner soll dieses Kapitel nicht für sich stehen, sondern im Folgenden verdeutlichen helfen, welche Diskurse der Fabeldichtung Lessings zugrunde lagen. Darum werde ich mich erstens weitgehend auf die deutsche Aufklärung beschränken und zweitens vor allem auf die philosophischen Überzeugungen der Bewegung konzentrieren. Diese Entscheidungen bringen es mit sich, dass zahlreiche Bereiche wie zum Beispiel die Volksaufklärung, die konfessionell gebundenen Aufklärungen oder die Haskala16, die jüdische Aufklärung, nicht differenziert betrachtet werden. Der hier verwendete Aufklärungsbegriff ist folglich ein geglätteter, der die Disparität der einzelnen Strömungen und Länder nicht berücksichtigt. Dies halte ich für gerechtfertigt. Denn es geht mir mehr um Grundüberzeugungen, die sich mal stärker, mal schwächer in allen Aufklärungen niederschlugen, und weniger um das Erfassen aller ihrer Spielarten. Inge Stephan machte den Versuch, die intellektuellen Maßstäbe aufgeklärten Denkens mithilfe weniger Schlagwörter zu umreißen. Von diesen werde ich im Folgenden ausgehen.17


Vernunft als Maßstab des persönlichen und gesellschaftlichen Handelns. Der an jeden Menschen gerichtete Appell, sich seiner Vernunft zu bedienen, kann als das Kennzeichen der Aufklärung schlechthin gelten. Kant hat dieser Überzeugung in vielen seiner Aufsätze Ausdruck verliehen. In seinem 1786 erschienen Essay Was heißt: sich im Denken orientieren? schreibt er:

Selbstdenken heißt den obersten Probierstein der Wahrheit in sich selbst (d. i. in seiner eigenen Vernunft) suchen; und die Maxime, jederzeit selbst zu denken, ist die Aufklärung.18

Der Vernunftgebrauch ist mithin eine Abkehr von tradierten Autoritäten; an deren Stelle rückt das Individuum als Initiator der Entscheidungsfindung und Träger der daraus folgenden Handlungen. Dabei, so Kant weiter, sei Aufklärung nicht Anhäufung von Wissen (Kenntnisse); denn derjenige, welcher über ein umfangreiches Wissen verfüge, müsse nicht zwangsläufig aufgeklärt sein. Das Selbstdenken, eigenverantwortliche Überwinden der selbstverschuldeten Unmündigkeit19 steht im Zentrum des kantischen Denkens.

Diese Überlegungen Kants muten wie eine Reminiszenz der viel zitierten Äußerung Lessings aus Eine Duplik (1778) an. Lessing stellt dort nämlich fest:

Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgend ein Mensch ist, oder zu sein vermeint, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Wert des Menschen.20

Denn durch die Anstrengung, die Wahrheit zu finden, erweiterten sich die Kräfte des Menschen, wohingegen die Überzeugung, sie bereits zu besitzen, träge mache. Der Vernunftgebrauch wird somit nicht als Mittel zum systematischen Erfassen der Welt, sondern als Form der Ausbildung der Fähig- und Fertigkeiten des Individuums betrachtet. Die Möglichkeit, einen Zugang zu dem zu eröffnen, was man als Wahrheit bezeichnet, spricht Lessing ihm nicht zu. Der Vernunftgebrauch sollte folglich nicht zu einer empirisch fundierten Aufstellung von Wahrheiten oder Glaubenssätzen führen. Er ist – und das haben Lessing und Kant gemeinsam – eine Bewegung die in jedem einzelnen Individuum beheimatet ist, das, wie Kant sagt, den obersten Probierstein der Wahrheit in sich selbst suchen sollte, wenn es aufgeklärt denkt, wenn es selbständig denkt. Darum kann Lessing das Ziel der Aufklärung auch nicht lokalisieren. Dergleichen wäre schlicht unmöglich. Denn hinter seiner Denkbewegung steht die grundlegende Überzeugung, dass der Akt des Denkens Räume eröffne, die immer wieder neue Türen haben, durch die man sich in die dahinterliegenden Räume weiterdenken kann und wird. Darum schreibt Lessing auch:

[…] nicht durch den Besitz, sondern durch die Nachforschung der Wahrheit erweitern sich seine [des Menschen] Kräfte, worin allein seine immer wachsende Vollkommenheit besteht.21

Die aufgeklärte Vernunft zeichnet sich somit nicht durch einen fest umrissenen geistigen Inhalt, sondern durch den Geistesgebrauch an sich aus.22 Dieses Moment konstituiert ebenso wie die Fokussierung auf das denkende Individuum als letzte Entscheidungsinstanz einen Bruch mit althergebrachten Überzeugungen. Die Konsequenz dieser Denkbewegung ist nämlich, dass tradierte Dogmen nicht notwendigerweise Bestand haben müssen. Denn sie erlangen erst dann Gültigkeit, wenn sie durch Selbstdenken, was ja laut Kant das Wesen der Aufklärung ist, bestätigt wurden. Der Denkstil der Aufklärung selbst erzeugt mithin die für diese Zeit typische Kritik an der feudalen Standesgesellschaft und den christlichen Lehrsätzen, deren öffentliche Diskussion bisher nicht zugelassen wurde, aber nun eingefordert wird. Der Denkstil der Aufklärung ist somit, wenn er denn konsequent in die Sphäre des Handelns übertragen wird, eine Herausforderung der Obrigkeit.

Dass diese Form der Herausforderung angemessen ist, begründet Lessing indirekt mit einem literarischen Bild, das er seinen oben zitierten Überlegungen folgen lässt. Das immerwährende Streben, die Perfektibilität wird in diesem Bild nämlich zu einer typisch menschlichen Eigenschaften stilisiert.23 Vielleicht kann man, vielleicht muss man sogar sagen, dass sie die Substanz des Gattungsbegriffs Mensch bildet, wird der Besitz von Wahrheit hier doch als etwas apostrophiert, das ihm eigentlich fremd ist.

Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit, und in seiner Linken den einzigen, immer regen Trieb nach Wahrheit, obschon mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren, verschlossen hielte und spräche zu mir: wähle! Ich fiele ihm mit Demut in seine Linke und sagte; Vater gieb! die reine Wahrheit ist ja doch nur für dich allein!24

Das Rechte gibt die Rechte. Das ruhelose, von Fehlschlüssen begleitete Suchen wird hier zu einer fast schon hingebungsvoll angenommenen Lebensform.25


Fortschrittsglaube. Positives Menschenbild. Die Betonung des Vernunftgebrauchs an sich in gleichzeitiger Abkehr von fixierten Gedankeninhalten korreliert mit der Überzeugung, dass eine vollständige Vernunftausbildung in einem Menschenleben aufgrund der Fülle der Ausbildungsbereiche nicht möglich sei. Vielmehr müssten die erworbenen Erkenntnisse von Generation zu Generation weitergereicht und im Zuge dieser Tradierung vermehrt werden – so zumindest Kant.26 Weiter: Die Vernunft kenne keine Grenzen ihrer Entwürfe und Versuche, Übung und Unterricht würden die Menschheit von einer Stufe der Einsicht zur andern allmählich27 fortschreiten lassen. Der Mensch wird also in positiver Weise als ein Wesen begriffen, das die Anlagen besitzt, sich über Generationen hinweg weiterzuentwickeln. Erneut stößt man auf die Unmöglichkeit, das Ziel der Aufklärung zu lokalisieren. Einzig der Weg wird beschrieben – und zwar als eine stete Entwicklung, die positiv konnotiert ist.28

Da die Denkbewegung auch hier wieder als eine für den Menschen wesenhafte beschrieben wird, kann Christoph Martin Wieland betonen, dass jeder Mensch – von Sokrates oder Kant bis zum obskursten aller übernatürlich erleuchteten Schneider und Schuster29 – die Fähigkeit habe, sich aufklärerisch zu betätigen. Diese Überzeugung schränkt er allerdings umgehend wieder ein, indem er dafür plädiert, den jedermann freien Vernunftgebrauch auf Gedrucktes zu beschränken. Die Furcht, allzu viel Freiheit könne schaden, scheint hier noch virulent zu sein, weswegen man sagen muss, dass das zunächst scheinbar grenzenlos positive Menschenbild der Aufklärer durchaus Einschränkungen kannte.

Eine ähnliche Beschränkung findet sich in Kants Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784). Kant unterscheidet zwischen öffentliche[m] Gebrauch und Privatgebrauch der Vernunft, wobei der öffentliche jederzeit frei zu sein habe, der private hingegen beschränkt werden müsse. Privater Vernunftgebrauch sei der, welcher im Rahmen eines Amtes zur Anwendung komme, öffentlicher fernab institutioneller Treueverpflichtungen.30 Seine Ansichten in Fragen des Vernunftgebrauchs könnte man somit als gesellschaftsstabilisierende bezeichnen, enthalten sie doch das Gebot, gegenüber der eigenen Obrigkeit Loyalität zu üben. Diese Äußerungen Kants lassen sich meines Erachtens zumindest partiell durch den Umstand erklären, dass er im Preußen Friedrichs II. die Freiheit hatte, sich als Gelehrter zu beliebigen Fragen zu äußern, ohne Repressalien fürchten zu müssen.31 Diese der Aufklärung gewährte Diskursfreiheit, die die Basis für ihren Vollzug bildete, führt Kant zu der Feststellung: In diesem Betracht ist dieses Zeitalter das Zeitalter der Aufklärung oder das Jahrhundert Friedrichs.32 Gleichzeitig muss das Gehorsamspostulat Kants als systeminhärent verstanden werden. Die Macht des Fürsten ist im öffentlichen Raum absolut, durch keine weltliche Institution, durch keinen Menschen beschränkt. Diese Gehorsamspflicht gegenüber dem absoluten Fürsten wird aber nicht umsonst gewährt. Denn ihr steht der freie Gebrauch der Vernunft im nicht-staatlichen Raum gegenüber: der öffentliche Gebrauch der Vernunft, wie Kant ihn nennt.33 Nach Friedrichs Tod im Jahre 1786 wurde Kant von dessen Nachfolger, Friedrich Wilhelm II., für seine Schrift Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1793) gerügt.34 Vielleicht hätte er zu diesem Zeitpunkt seine Unterscheidung in der beschriebenen Form nicht mehr postuliert und die ihr inhärente Gehorsamspflicht kritischer gesehen. Schließlich kündigte Friedrich Wilhelm durch seinen Eingriff in den vertraglich gewährten Freiraum das System des Absolutismus auf: eine Vertragskündigung, die die Aufklärung durch ihre Kritik an der Position des Herrschers und der Herrschaft (siehe unten) schon vollzogen hatte.35 Diese Textstelle ist darüber hinaus bemerkenswert, weil hier ein auch bei anderen Autoren auftauchender Zug der Bewegung aufgegriffen wird: der Mensch wird in zwei klar voneinander geschiedenen Wirkungsbereichen betrachtet.36

Oft ist im Zusammenhang mit der Betonung des Vernunftgebrauchs bei aufklärerischen Denkern von der Bestimmung des Menschen die Rede – einer Bestimmung, die nie genauer spezifiziert wird, und darum als durchaus irrationaler Zug der Bewegung angesehen werden darf. Kant schreibt in seiner Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht:

Vielleicht mag bei diesen [Bewohnern eines anderen Planeten] ein jedes Individuum seine Bestimmung in seinem Leben völlig erreichen. Bei uns ist es anders; nur die Gattung kann dieses hoffen.37

Das einzig wirklich bestimmende Element der Bestimmung des Menschen liegt hier noch darin, dass der Mensch sie, die Bestimmung, nicht in seinem individuellen Leben, sondern nur in den vielen Leben aller Menschen, in der Entwicklung der Menschheit verwirklichen kann. In Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte wird das Konzept von Kant zwar ansatzweise genauer definiert, verbleibt aber im Umfeld einer für die Aufklärungsphilosophie charakteristischen Vagheit. Der Mensch habe die Freiheit erlangt, indem er sich vom Tierreich abtrennte, schreibt Kant dort. Dadurch habe er sich auf den Weg der Bestimmung seiner Gattung, die in nichts als im Fortschreiten zur Vollkommenheit besteht38, begeben. Hinter diesem Fortschritt hin zur Vollkommenheit scheinen die Überreste christlicher Heilsbegriffe zu wuchern, die genauso in einer unbestimmten Zukunft verortet werden wie die Bestimmung des Menschen im Sinne der Aufklärungsphilosophen39. Mit dem einzigen Unterschied, dass der Zeitpfeil der Aufklärer zumeist40 – und das auch in der nicht näher bestimmbaren Zukunft – nach oben weist und der der christlichen Dogmatik auf einem Plateau, einer zeitlosen Ebene, einer gleichförmigen Ewigkeit endet. Bestimmung verweist also sowohl auf die lineare Weiterentwicklung der Menschheit als auch auf die Unmöglichkeit diese Entwicklung en détail von vornherein zu bestimmen. Vielmehr wird der Vernunftgebrauch zukünftiger Generationen die Art des Fortschritts, die Bestimmung der Menschheit festlegen.


Gleichheit aller Menschen. In der im vorhergehenden Abschnitt zitierten Äußerung Wielands steckt die Forderung nach einer grundsätzlich für jeden Menschen geltenden Freiheit, sich seines Verstandes zu bedienen, sich selbst und seine Umwelt aufzuklären. Interessant ist in diesem Kontext die Positionsbestimmung des Monarchen, wie Kant sie in Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? vornimmt. Dort heißt es, der Mensch dürfe wohl für sich selbst, aber auch dann nur auf Zeit, die Entscheidung fällen, mit dem Voranschreiten auf dem Weg der Aufklärung innezuhalten. Seinen Mitmenschen dürfe er dergleichen Stillstand jedoch in keiner Weise auferlegen. Und dann:

Was aber nicht einmal das Volk über sich selbst beschließen darf, das darf noch weniger ein Monarch über das Volk beschließen; denn sein gesetzgebendes Ansehen beruht eben darauf, daß er den gesamten Volkswillen in dem seinigen vereinigt.41

Die Stellung des Monarchen bestimmt sich ergo nicht von einem metaphysischen Standpunkt her. Seine herausgehobene Position ist bei Kant nicht etwa von Gottes, sondern von Volkes Gnaden. Der Herrscher wird auf Augenhöhe herabgezogen.42 Als primus inter pares erhält er seine Stellung allein dadurch, dass sein Volk sie ihm zuerkennt. Der Gleichheitsanspruch der Aufklärung erstreckt sich infolgedessen auch über eine Grenze, die die altehrwürdige Elite von der Masse der Gesellschaft trennte. Gleichwohl schimmern durch einige dieser Überlegungen, wie ich bereits oben gezeigt habe, elitäre Züge anderer Art hindurch.43 Und das ist durchaus typisch für die deutsche Aufklärung, kann man doch ihre politische Kritik als im Verhältnis zu Frankreich durchaus moderat bezeichnen.44


Hinwendung zum Diesseits. Religionskritik. Rückt im Zuge der Betonung des Vernunftgebrauchs, wie oben ausgeführt, das Individuum in das Zentrum der Entscheidungsfindung und wird Wahrheit als ein kaum erlangbares, ja nicht einmal erstrebenswertes Gut qualifiziert, so bedeutet dies zugleich eine Abkehr von den Dogmen der (christlichen) Kirche. In Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? konstatiert Kant, dass ein wesentlicher Grund für die fortwährende Unmündigkeit vieler Menschen die von den Vormündern geförderte Furcht vor der Selbständigkeit sei:

Nachdem sie ihr Hausvieh erst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen, allein zu gehen.45

Interessant an dieser Äußerung ist, dass Kant das Bild des Hausviehs wählt, um die furchtsam in Unmündigkeit verharrenden Menschen zu charakterisieren. Vielleicht will er in dieser Passage eine Kritik an den fixen Dogmen des Christentums transportieren, das allzu oft schicksalergebenen Gehorsam und allzu selten selbständige Entscheidungsfindung einfordert, indem er durch das Hervorrufen des Bildes wohlbehüteter Haustiere an das Gleichnis in Psalm 23,1 (Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln) erinnert.

In Was heißt: sich im Denken orientieren? wird seine Kritik deutlicher. Dort stellt er fest, dass jeglicher Gottesbegriff und somit alle religiöse Überzeugung vernunftgegeben sei, mithin nicht a priori in jedem Menschen liege oder ihm gar von einem höheren Wesen eingegeben worden sei. Gleichzeitig sei ein Gottesbegriff, sobald er denn erlangt wurde, noch kein Beweis für die Existenz eines höheren Wesens.46 Ferner hält Kant es für unzulässig, dass eine Generation unumstößliche Grundsätze für alle folgenden aufstelle, denn das hieße, die heiligen Rechte der Menschheit zu verletzen und mit Füßen treten.47 Unter diesen heiligen Rechte[n] muss der freiheitliche und selbständige Vernunftgebrauch und die Verneinung jeglicher schwärmerischen Haltung wohl eine herausgehobene Position einnehmen.48 Das Recht der Menschen auf eigenen Vernunftgebrauch soll durch diese dogmenkritischen Äußerungen Kants auch für die Zukunft verteidigt werden. In dieser Hinsicht hängt seine Forderung mit dem aufklärerischen Fortschrittsglauben zusammen. Denn tradierte Vernunftgründe können nur dann aufgenommen und weiterentwickelt werden, wenn fixe Dogmen den Nachlebenden keine Beschränkungen ihres Vernunftgebrauchs auferlegen.49 Durch die Ablehnung überkommener Vor-Urteile aber eröffnet sich Raum, Lebenswirklichkeiten zu gestalten, die zuvor von allgemein anerkannten Gesetzen geregelt worden sind. Wenn Wieland fordert, Aufklärung müsse sich über alle Gegenstände, die dem äußern und innern Auge zugänglich seien, ausbreiten50, so bedeutet dies, sie müsse sich auch mit lebenspraktischen Fragen beschäftigen51, also Fragen behandeln, die sich durch die Ablehnung der alten Dogmen als nicht mehr in ausreichendem Maße geregelt herausstellen. Religionskritik und Hinwendung zum Diesseits hängen folglich eng miteinander zusammen; ebenso wie die Hinwendung zum Diesseits mit einer Fokussierung auf das Individuum und seinen persönlichen Vernunftgebrauch verknüpft wurde. Der Glaube der Kinder und der vieler Erwachsener, schreibt Rousseau, ist eine Sache der Geographie.52 In dieser spitzen Bemerkung verschmelzen die beiden Bereiche (religiöse Überzeugungen und materielle Umstände) gar miteinander. Denn die Religion des Individuums steht allzu oft nur auf dem Substrat kultureller Traditionen, die unhinterfragt und vor allem unreflektiert zu Überzeugungen mutieren.

Doch die Religionskritik des 18. Jahrhunderts bewegte sich nicht nur in einem abstrakten, geistigen Raum. Denn die Epoche der Aufklärung war auch durch große Naturforscher geprägt; und deren Ergebnisse standen oftmals im Widerspruch zu dem in der Bibel zu findenden Schöpfungsbericht. Als Erkenntnismittel wird Gott bei ihnen folgerichtig suspendiert, womit man ihn jedoch – Dialektik der Aufklärung – keineswegs aus der Welt des Seienden zu verdrängen versuchte.53 So kann man sagen, dass der Gott in den umfangreichen Forschungen54 Buffons (1707–1788) ein rationaler Gott: die Divinisierung der menschlichen Vernunft55 ist; und muss zugleich feststellen, dass Buffon sich ernsthaft bemühte, Bibel und Faktenlage miteinander in Übereinstimmung zu bringen.56 Und dennoch gilt für sein Denken die Grundüberzeugung, die Cassirer für das Denken des 18. Jahrhunderts als konstitutiv bestimmt: Die Phänomene sind das Gegebene; die Prinzipien das Gesuchte.57 Die Faktenlage hat demnach den Vorrang, ganz gleich wie gewichtig die (alten) Prinzipien auch seien.

Im Feld der Religionskritik zeigt sich somit, wie eng die Beziehung zwischen Kritik und Vernunft war. Erreicht die Kritik in Kants berühmten Aufsatz auch noch nicht das Infragestellen der Gehorsamspflicht, so finden sich in ihm dennoch, genauso wie bei Wieland, bereits Ansätze einer Selbstkritik. Die selbst auferlegten Beschränkungen sind als ein Infragestellen der Reichweite der eigenen intellektuellen Höhenflüge zu verstehen. Im Werk Jean-Jacques Rousseaus ist diese Selbstkritik schon ungleich stärker ausgeprägt. Bei ihm werden die kulturellen Errungenschaften, die – nebenbei gesagt – seine Tätigkeit als Schriftsteller überhaupt erst ermöglichten, durch eine vehementes insistieren auf ihre negative Kehrseite relativiert. Das Motto seiner Abhandlung über die Wissenschaften und Künste lautet darum nicht zufälligerweise Decipimur specie recti58 [Wir werden durch den Anschein des Rechten getäuscht]. Die Kritik stellt ihre Basis selbst infrage. Auch das ist Aufklärung.

4 Die Gattung Fabel in Poetiken des 18. Jahrhunderts

4.1 Entstehung und Ausfüllung eines Gattungsbegriffs

Der literarische Gattungsbegriff Fabel, wie wir ihn heute kennen59, hat sich erst im Laufe des 18. Jahrhunderts voll ausgebildet.60 Die Definitionen, welche im 1735 erschienen neunten Band von Zedlers Universal-Lexicon gegeben werden, wirken deswegen auf uns umständlich und mitunter verwirrend. So scheint die unter dem Stichwort Fabel gegebene Bedeutung vornehmlich als erdichtete Erzählung einer Sache61 und nur sekundär als Literaturgattung verstanden zu werden. Dominant ist eine noch heute gängige Bedeutung, die neben dem literarischen Gattungsbegriff existiert: Als Fabel wird auch der einer Dichtung zugrunde liegende Handlungsstrang verstanden. Diese allgemeine Auffassung des Begriffs Fabel gliedert der Schreiber des Artikels schließlich in drei Kategorien, sodass wir drey Arten derer Fabeln an[treffen], nachdem sich solcher die Poeten, Philosophen und Historien-Schreiber bedienen.62 Die Frage danach, wo exakt er die Erzählgattung Fabel einordnet, ist nur schwer zu beantworten, da er die Gattung nicht explizit definiert. Die lehrhafte, moralische Komponente von Fabeln, die in der Forschung immer wieder als Merkmal des engeren Kreises angesehen wird63, sei dem Artikel zufolge vornehmlich Absicht der philosophischen Fabeln, denn unter den

philosophischen Fabeln verstehen wir diejenigen Gedichte [d. h. Dichtungen], derer sich die Philosophi zu dem Ende bedienen, daß sie dadurch vornehmlich ihre moralische Lehren entweder angenehmer und deutlicher, oder auch zugleich nach Beschaffenheit dererselben behutsamer vortragen wollen.64

Auch in dem fünf Jahre zuvor, also 1730, erschienenen Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen von Johann Christoph Gottsched schwebt der Begriff Fabel zwischen den Polen eines Gattungsbegriffs und des Handlungsstrang einer Dichtung, wobei Gottsched den aristotelischen Begriff μυθος (mythos) mit Fabel übersetzt65. Auch Gottsched versucht sich, wie der Schreiber des Zedler-Artikels, in einer Taxonomie literarischer Fabeln, indem er sie in wahrscheinliche, unwahrscheinliche und vermischte gliedert. Die Tierfabel ordnet er dabei den unwahrscheinlichen Fabeln zu, denn:

Jene sind die, wo man unvernünftige Tiere oder wohl gar leblose Dinge so reden und handeln läßt, als wenn sie mit menschlicher Vernunft begabt wären.66

Doch gelte grundsätzlich, dass sich jede Fabel, im Sinne einer erfundenen Handlung, durch Verwendung einer jeden beliebigen poetischen Gattung aktualisieren lasse. Denn es käme darauf an, wozu der Dichter seine

Erfindung brauchen will; ob ich Lust habe, eine aesopische, komische, tragische oder epische Fabel daraus zu machen? Alles beruht hierbei auf der Benennung der Personen, so darin vorkommen sollen. Aesopus wird ihnen tierische Namen geben67.

Schimmert im Zuge der Verwendung des Attributs aesopisch bei Gottsched der Gattungsbegriff schon vage durch, wobei nicht versucht wird, ihn systematisch zu erfassen, widmet Johann Jacob Breitinger der Fabel als spezielle Literaturgattung in seiner Critischen Dichtkunst von 1740 schon ein umfangreiches Kapitel: Von der Esopischen Fabel68. Breitinger bestimmt die äsopische Fabel zum einen dadurch, dass sie dem Leser eine Lehre vermitteln wolle, und zum anderen dadurch, dass diese Lehre indirekt, auf unterhaltsame Weise transportiert werde:

Dieselbe [die äsopische Fabel] ist erfunden worden, moralische Lehren und Erinnerungen auf eine verdeckte und angenehm-ergetzende Weise in die Gemüther der Menschen einzuspielen, und diesen sonst trockenen und bittern Wahrheiten, durch die künstliche Verkleidung in eine reizende Maßke, einen so gewissen Eingang in das menschliche Hertz zu verschaffen, daß es sich nicht erwehren kan, ihren heilsamen Nachdruck zu fühlen.69

Die Betonung, dass eine Moral als wesentlicher Zweck hinter einer Dichtung stehe, ist nicht allein ein Zug von Breitinger. Vielmehr schlägt sich hier eine wesentliche Forderung der gesamten Aufklärungspoetik nieder. So betont Gottsched, dass jede Fabel – gemeint ist hier: die Handlung einer Dichtung – einen moralischen Lehrsatz, der gewiß wahr sein muß70, mit sich zu führen habe, und stellt ähnliche Überlegungen wie Breitinger an, wenn er schreibt: Die gründlichste Sittenlehre ist vor den großen Haufen der Menschen viel zu mager und trocken.71 Sie, die Sittenlehre, müsse erst aufbereitet werden, um für die Allgemeinheit verdaulich zu sein. In einer 1729 gehaltenen Festrede betont Gottsched in ähnlicher Weise, dass Beispielerzählungen, wie sie Äsop in der Antike erfunden habe, den Lesern die bittern Wahrheiten zu versüßen72 imstande wären.

An den Äußerungen Gottscheds und Breitingers fällt auf, dass die Bedeutung der Moral einer Fabel besonders hervorgehoben und dass das Moment der Freude an der Literatur nur mehr zum Vermittlungskonzept, zur didaktische Verbrämung herabgestuft wird. Dass diese Verbrämung als unabdingbar angesehen wird, ändert nichts an dem vornehmlich ornamentalen Charakter, der ihr zugesprochen wird. Der aufklärerische Gedanke des Unterrichtens der Menschen in angemessenem sittlichen Verhalten dominiert somit in ihren Dichtungstheorien. Darum scheint es kein Zufall zu sein, dass Gottsched gerade Äsop nennt und betont, dieser habe seine Tiererzählungen geschrieben, um seine Leser dadurch zu erbauen73 – und zwar, so darf man ergänzen, vornehmlich in moralischer Hinsicht. Der Schreiber des Artikels Fabel im Zedler hingegen sieht die beiden von Breitinger und Gottsched angeführten Ziele der Dichtung als gleichwertig an, denn die Dichter bezweckten mit ihren Fabeln, entweder daß man andere damit belustiget, oder unterweiset74. Er ist der bekannten Definition von Horaz (aut prodesse volunt aut delectare poetae75) also noch näher als die beiden Dichtungstheoretiker, indem er die Gleichwertigkeit der Absichten, das Entweder-Oder (aut … aut) betont, wo jene schon eine Abstufung vornehmen. Man muss sich allerdings davor hüten, die Dominanz des Prodesse für alle Kunsttheoretiker der Zeit gleichermaßen geltend zu machen. Johann Joachim Winckelmann zum Beispiel stellt die beiden Begriffe auf ein und dieselbe Stufe in der Hierarchie, wobei die Verknüpfung von Prodesse und Delectare wie bei Gottsched und Breitinger erhalten bleibt: Alle Künste haben einen gedoppelten Endzweck: sie sollen vergnügen und zugleich [!] unterrichten76. Diese Abweichung im Detail kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Winckelmann ein Kind seiner Zeit ist und die Aufgabe des Verstandes bei der Betrachtung von Kunstwerken als ganz besonders wichtig beurteilt:

Der Pinsel, den der Künstler führet, soll im Verstande getunkt sein […]: Er soll mehr zu denken hinterlassen, als was er dem Auge gezeiget, und dieses wird der Künstler erhalten, wenn er seine Gedanken in Allegorien nicht zu verstecken, sondern einzukleiden gelernet hat.77

Spricht Winckelmann hier auch durchaus nicht über die Fabel, sondern die bildende Kunst der Antike und die Folgerungen, die er aus ihrer Betrachtung für die Gegenwart zieht, so lassen sich diese Überlegungen dennoch in den Bereich der Fabel transponieren. Denn ihr, der Fabel, ist es wie allen parabolischen Gattungen zueigen, dass sie das Gemeinte hinter Allegorien oder, ganz allgemein, Bildern verbirgt.78 Und zwar nicht, um es zu verwischen, sondern unter anderem, um die Verstandeskräfte durch die Suche nach der Wahrheit zu fördern. Denn: Bloß sinnliche Empfindungen […] gehen nur bis an die Haut, und würken wenig in den Verstand.79 Der Weg, die Bedeutung zu finden, wird von Winckelmann deutlich in den Vordergrund gerückt – und zwar um den Verstand des Betrachters zu erreichen. So scheint es, als habe Lessing in Winckelmann einen Vorläufer des Gedankens gehabt, den er in Eine Duplik äußert.80

Ganz ähnlich hebt Rousseau in seinem berühmten Erziehungsroman Emil das Moment des selbständigen Entdeckens der Fabelmoral hervor.81 So fordert er, die ausformulierte Moral einer Fabel zu streichen. Denn die Moral könne und müsse aus der Fabel selbst extrahiert werden. Dieses Moment des selbständigen Erkennens setzt er mit einem wirklichen Erkennen des Leser, also einer Verinnerlichung der Moral gleich. Wer alles sagt, so Rousseau, sagt wenig, denn am Ende hört man ihm nicht mehr zu.82 Darum dürfen Fabeln auch nicht zu früh gelesen werden. Denn der Fabelleser muss zunächst wirkliche, greifbare Erfahrungen sammeln, ehe er überhaupt in der Lage ist, die abstrakte Moral einer Fabel für sich nutzbar zu machen. Die Fabel ist für Rousseau nämlich nur ein Hilfsmittel, die persönliche, singuläre und konkrete Erfahrung auf alle Bereiche des Lebens auszudehnen. Folgerichtig lehnt er sie als Lesestoff für Kinder ab.83 Ihre Fähigkeit, in nicht-konkreten Moralkategorien zu denken, hält er für noch nicht ausgebildet, ihre Erfahrung für noch zu gering. (Beides Dinge, die auf Rousseaus Erziehungsideal zurückgehen, das vorsieht, die Erziehung eines Kindes so lange als möglich im Bereich des sinnlich Erfahrbaren zu belassen.)

Gottsched und Breitinger halten es hingegen eher mit Aristoteles, der die Fabel unter die Überzeugungsmittel, die allen Redegattungen gemeinsam sind84, subsumiert. Dabei entwirft der antike Philosoph folgende Taxonomie:

Aristoteles’ Taxonomie
Abb. 1: Aristoteles’ Taxonomie der Überzeugungsmittel, die allen Redegattungen gemeinsam sind

Bei Aristoteles war die Fabel mithin Zweckgattung, der die Aufgabe der Überzeugung im Zuge einer Rede zukam, weswegen er sie auch in seiner Rhetorik und nicht in der Poetik behandelt hat. Dadurch erhält sie eher den Charakter eines rhetorischen Kniffes als einer selbständigen Dichtungsgattung.

Christian Fürchtegott Gellert85, der wohl meistgelesene Dichter des 18. Jahrhunderts, beruft sich in seiner Dissertation über Theorie und Geschichte der Fabel von 1744 allerdings auf einen antiken Philosophen, den man an dieser Stelle nicht so ohne weiteres vermutet hätte. Gellert betont, in gleicher Weise wie Gottsched und Breitinger, dass eine gute Fabel nutzt indem sie vergnügt86, und zitiert Platon herbei, der zwar alle Dichter aus seinem idealen Staat ausgeschlossen habe, denen Fabeldichtern [aber] in demselben einen sehr angesehenen Platz eingeräumet [hat].87 Lessing, dessen Fabeltheorie ich unten en bloc behandeln werde, erwähnt diese angebliche Äußerung Platons ebenfalls.88 Dabei geben weder Gellert noch Lessing noch irgendeiner der Kommentatoren der von mir herangezogenen Textausgaben die Schrift an, in der Platon sich zu dieser Ausnahme habe hinreißen lassen.89 Nun kann ich mich zwar nicht rühmen, das Gesamtwerk Platons vollkommen zu überschauen, doch lässt sich im 10. Buch der Politeia, in welchem Platon Sokrates die Stellung der Dichter im idealen Staat erörtern lässt, eine Äußerung, die direkt in die beschriebene Richtung weist, nicht ausmachen. Vielmehr steht am Ende der Überlegungen von Sokrates der Beschluss:

Wir verzichten also auf sie [die Dichter, wie man sie kennt], da man sich nicht ernstlich mit einer solchen Art von Poesie befassen soll, als hätte sie mit der Wahrheit etwas zu tun und als wäre sie eine ernstliche Sache90.

In seinem Dialog Phaidon, den Platon an dem Tag spielen lässt, an dem Sokrates den Schierlingsbecher trinken muss, lässt er diesen allerdings Fabeln von Äsop in Verse fassen.91 Das merkwürdige Verhalten Sokrates’ (auch seine Schüler wundern sich) kann aber meines Erachtens keinesfalls als ein teilweiser Widerruf der scharfen Ablehnung der Dichtung aufgefasst werden, wie sie in der Politeia postuliert wurde. Denn die beiden Gründe (siehe unten), aus denen die Dichtung im idealen Staat nicht erwünscht sind, werden hier von Platon nicht wieder aufgegriffen, geschweige denn relativiert. Sokrates gibt als Grund für die Umdichtung der äsopischen Fabeln vielmehr einen Traum an, der ihn dazu gedrängt habe. Denn, so Sokrates, es sei doch sicherer, nicht zu gehen [d. h. nicht eher zu sterben], bis ich mich auch so vorgesehen und Gedichte gemacht, um dem Traum zu gehorchen.92 Gleichsam wie eine Bestätigung der oben von mir zitierten rigorosen Ablehnung der Dichtung klingt denn auch die Bemerkung Sokrates’, dass ein Dichter nicht vernünftige Reden, sondern Fabeln dichten müsse.93 Wird Dichtung hier als Negation zu den vernünftigen Reden (man darf wohl ergänzen: der Philosophen) aufgefasst, so wird damit impliziert, dass sie an dieser Vernunft keinen Anteil habe, dass sie mit der Wahrheit nichts zu tun habe und keine ernstliche Sache sei.94

Ich möchte nicht weiter darüber rechten, ob in den oben erwähnten Aufsätzen Lecke von Lessing und Lessing von Gellert unkritisch abgeschrieben haben; vielmehr verdient dieser Umstand eines genaueren Hinsehens, weil sich hinter den Äußerungen Gellerts und Lessings eine poetologische Aussage versteckt. Um diese aufzudecken, muss ich ein wenig detaillierter auf die Gründe eingehen, die Platon dazu veranlassten, dem Dichter das Existenzrecht in seinem idealen Gemeinwesen zu verweigern.

Zwei Gründe führt Platon an. Der erste lässt sich als ontologischer oder epistemologischer Grund bezeichnen, denn er verweist auf die platonische Ideenlehre.95 Dieser zufolge handle es sich bei der Welt, wie wir sie wahrnehmen, nur um ein Abbild der hinter ihr stehenden Ideen. Ein Tischler verfertige beispielsweise ein Bett nach der Idee des idealen Bettes, sodass dieses von ihm geschaffene Bett nur als Nachahmung bezeichnet werden dürfe. Kommt jetzt aber ein Künstler daher, zum Beispiel ein Maler, der das vom Handwerker gebaute Bett zeichne, so habe er sich noch um einen Grad weiter von der ursprünglichen Wahrheit des Gegenstands und somit von der Wahrheit der hinter der sichtbaren Welt ruhenden Ideen entfernt.96 Wurde die Idee durch die Kopierarbeit des Handwerkers zur Nachahmung, so durch die (sekundäre) Kopierarbeit des Künstlers zum Schattenbild. Diese Überlegungen konsequent weitergedacht, kann Platon den Dichtern vorwerfen, ihre Werke hätten nichts mit der Wahrheit zu tun und müssten folgerichtig vor den Toren eines idealen Staates bleiben. Tatsächlich trägt auch die Sprachtheorie Platons zu dieser Überzeugung einiges bei. Im Kratylos wird ein deutlicher Unterschied zwischen der Nachahmung von Bildern und der von Wörtern gemacht:

Nämlich eine solche Verteilung beider Nachahmungen, der Bilder sowohl als der Wörter, nenne ich richtig, die der Wörter aber zugleich auch wahr; die andere aber, welche Unähnliches einander gibt und beilegt, nenne ich unrichtig, und wenn sie mit den Wörtern vorgeht, zugleich falsch.97

Das Wort kann somit nicht nur unrichtig sein, sondern vollkommen fehlen. Und dieses grundsätzliche Falschsein, das heißt, zu weit von dem Idealbild entfernt sein, ist es, was Platon die Dichtung ganz im Allgemeinen suspekt werden lässt. Sie, die Dichtung, fehlt in ontologischer Hinsicht.

Der zweite, nicht so bekannte Grund, der gleichwohl für diese Arbeit von höchster Bedeutung ist, lässt sich mit dem Wort sittlich apostrophieren. So wirft Platon den Dichtern vor, sie sprächen vornehmlich einen Teil im Innern des Menschen an, der der Vernunft fern stehe. Überhaupt lasse sich die vernunftgemäße und ruhige Gemütsart […] weder leicht nachahmen, noch ist die Nachahmung [von ihr] so ohne weiteres verständlich98. Der zweite Vorwurf lautet demnach, dass die Dichtkunst nur eine Unterhaltungsfunktion erfülle und nicht zur (sittlichen) Erziehung des Menschen beitrage. Sie sei keineswegs als ernstliche Sache zu bezeichnen.

Platon schränkt, soviel ist wahr, diese vehemente Ablehnung der Dichtkunst insofern ein, als er den Dichtern den Zugang zu seinem Staat gewährt, sobald der Dichtkunst der Nachweis gelänge, daß sie in einem gutverwalteten Gemeinwesen unentbehrlich ist99. Unentbehrlich macht sie sich aber erst, wenn sie sich nicht nur als ergötzlich erwiese, sondern auch als nützlich.100 Diese letzte Relativierung seiner Ablehnung in Verbindung mit der Beobachtung, dass selbst Sokrates vor seinem Tod Fabeln geschrieben haben soll, dürfte Gellert und Lessing dazu bewogen haben, zu meinen, Äsop sei im platonischen Gemeinwesen willkommen, da die Nützlichkeit von Fabeln aus ihrer Sicht, so darf man wohl schließen, doch unwiderleglich bestehe.101 Ferner fällt auf, dass die Ansicht Platons in den Dichtungstheorien von Breitinger und Gottsched eine weitere Entsprechung hat: Die Dichter können zwar auch Platons Meinung nach entweder nützen oder gefallen; dem Nutzwert von Dichtung jedoch wird der Vorrang gegenüber ihrem Unterhaltungswert eingeräumt, genauso wie bei Breitinger und Gottsched.

Zurück zu Gellert und Lessing, die im Rahmen ihrer Fabeltheorie Platon aufgegriffen haben. Die poetologische Aussage, die sich hinter den Dikta Gellerts und Lessings versteckt, ist die unwiderlegliche Nützlichkeit der Fabeldichtung für ein Gemeinwesen, das auf Vernunft und nicht auf triebhaften Regungen basiert. Mit diesem Heraufbeschwören der Vernunfts- und Erziehungskomponente der Fabeldichtung bekennen sich Gellert und Lessing implizit zu Fundamentalideen der Aufklärung: nämlich dem Primat des Vernunftgebrauchs und der Erziehung des Menschengeschlechts.102 Bei Gottsched findet sich der Hinweis auf die vernünftigen Ziele von Dichtung ebenfalls. Wie bereits oben erwähnt, hält er die in eine Dichtung integrierte Moral für sich genommen für zu mager und trocken, um von der großen Masse aufgenommen zu werden. Denn, so Gottsched weiter, die Schärfe von Vernunftschlüssen ist nicht vor den gemeinen Verstand unstudierter Leute.103 Dass er sogleich im Anschluss die Vernunft ins Spiel bringt, zeigt, dass die von ihm in Dichtungen geforderten Sittenlehre[n] Vernunftlehren sind. Im Kapitel Von dem Wunderbaren und dem Wahrscheinlichen seiner Critischen Dichtkunst kommt Breitinger zu dem Schluss, dass das Wunderbare, also das, was mit unsren gewöhnlichen Begriffen zu streiten scheinet, uns gerade deswegen unterhalte, weil wir mit unserm Verstand durch den reizenden Schein der Falschheit durchgedrungen, und in dem vermeinten Widerspruch ein geschicktes Bild der Wahrheit und eine ergezende Uebereinstimmung gefunden haben.104 Das Phantastische berausche die Sinne also nicht ob seiner Deviation, sondern ob der Provokation des Lesers, sich seines Verstandes bedienen zu müssen. In gleicher Weise bezieht Breitinger sich auf die äsopische Fabel: Die Allegorie der Fabel beschäftige den Geist des Menschen auf angenehme Weise, und indem er [der Mensch] entdecket, was einigermaassen verhüllet war, hält er sich selbst auf gewisse Weise vor den Erfinder dessen, was man ihm verborgen hatte.105

Bevor ich mich nun Lessing und seinen theoretischen Schriften zur Fabel zuwende, möchte ich noch einmal kurz zusammenfassen, wohin dieser alles andere als umfassende Überblick über die poetologischen Schriften zur Fabel im 18. Jahrhundert geführt hat. Der Begriff der Fabel schwankte (1.) zunächst noch unbestimmt zwischen der allgemeinen Bezeichnung für den Handlungsstrang eines dichterischen Werkes und der in dieser Arbeit behandelten literarischen Gattung. Im 1811 von Johann Christoph Adelung veröffentlichten Wörterbuch hatte sich das Bild schon gewandelt: Die einzelnen Bedeutungsschichten, werden von Adelung exakt gesondert: 2) In engerer Bedeutung, eine jede erdichtete Erzählung, ein Mährchen. […] 4) In der engsten Bedeutung, begreift man unter diesem Nahmen die Erzählung einer allegorischen Handlung, welche Thieren und geringern Dingen beygeleget wird106. Fabel als literarischer Gattungsbegriff war etabliert. Ferner sticht (2.) die hervorgehobene Bedeutung der Lehrhaftigkeit von Fabeln ins Auge. Das Ergötzen an literarischer Schönheit erscheint in dieser Hinsicht nur noch als sekundär. Die Vermittlung der inhärenten Moral avanciert zur eigentlichen Absicht der Dichtung. Schließlich bekommen die Fabeln (3.) einen besonderen Wert deswegen zugesprochen, weil sie den Vernunftgebrauch des Lesers herausfordern oder, weniger kämpferisch ausgedrückt, den Leser anregen, sich seines Verstandes zu bedienen – womit ein wesentlicher Aspekt aufklärerischen Gedankenguts beschworen wird.

4.2 Lessings Fabeltheorie

Lessing publizierte seine 1759 erschienene, aus drei Büchern bestehende und 80 Texte umfassende Fabelsammlung zusammen mit seinen Abhandlungen über die Fabel. Er betrachtete seine theoretischen Überlegungen und Dichtungen folglich als aufs Engste miteinander verwoben. Zwar hatte er auch schon in den Jahren zuvor Fabeln veröffentlicht, doch folgten diese noch anderen Vorbildern (wie dem französischen Fabeldichter Jean de La Fontaine); Vorbildern, die er später ablehnen sollte. Ein deutliches Zeichen hierfür ist, dass die älteren Fabeln durchweg in Versen verfasst wurden, wohingegen es sich bei den neueren um Prosafabeln handelt.

In der ersten seiner fünf Abhandlungen (Von dem Wesen der Fabel107) scheidet er bereits in den beiden einleitenden Absätzen die Gattung eindeutig von der allgemeineren Bedeutung des Fabelbegriffs und verweist darauf, dass sein Gegenstand die Äsopische Fabel108 sei. Als Lessing seine Überlegungen anstellte, musste er also nicht mehr mit den oben beschriebenen Abgrenzungsproblemen kämpfen, die noch dreißig Jahre zuvor das Bild der intellektuellen Auseinandersetzung um die Gattung Fabel bestimmten. Den Ertrag dieser ersten und bedeutendsten Abhandlung fasst Lessing wie folgt zusammen:

Wenn wir einen allgemeinen moralischen Satz auf einen besondern Fall zurückführen, diesem besondern Falle die Wirklichkeit erteilen und eine Geschichte daraus dichten, in welcher man den allgemeinen Satz anschauend erkennt, so heißt diese Erdichtung eine Fabel.109

Der moralische Satz, auf den Lessing hier verweist, ist der Kern einer jeden Fabel, nicht nur weil sie sich um ihn herum konstituiert. Er sei auch ihr Endzweck110. Um diesen Endzweck zu erreichen, müsse eine Fabel aus einer Handlung bestehen, die wiederum als Folge von Veränderungen beschrieben werden könne. Wichtig ist Lessing, dass in die Fabelhandlung nur Elemente einfließen, die dazu dienlich erscheinen, den moralischen Lehrsatz zu verdeutlichen.111 Die Selbstbeschränkung des Dichters auf das allein Nötige für den Transport einer Moral lässt sich als wesentliches Prinzip der lessingschen Theorie ausmachen, zumal er des Öfteren die schnörkel- und umweglose Struktur von Fabeln fordert. In der vierten Abhandlung, Von dem Vortrage der Fabeln, klingt das dann so:

Wenn ich mir einer moralischen Wahrheit durch die Fabel bewußt werden soll, so muß ich die Fabel auf einmal übersehen können; und um sie auf einmal übersehen zu können, muß sie so kurz sein als möglich. Alle Zieraten aber sind dieser Kürze entgegen, denn ohne sie würde sie noch kürzer sein können112.

Lessing verweist in seiner Schrift selbst darauf, dass seine Fabel Der Besitzer des Bogens113 als Metafabel gelesen werden sollte.114 Gerichtet ist sie gegen Ausschmückungen von Fabelerzählungen mit nicht sachdienlichen Inhalten, also nicht für den Transport der Moral, um die herum eine Fabel komponiert sein sollte, unbedingt nötigen Ausführungen. Hatte in der erwähnten Fabel zunächst der Besitzer des Bogens eine Waffe, mit der er sein Ziel, erfolgreich auf die Jagd zu gehen, hervorragend erreichte, wurde er, der Bogen, durch die auf ihm eingeschnitzten Ornamente, die allein der Ergötzung des Betrachters dienen sollten, unbrauchbar. Beim ersten Versuch, ihn seiner Bestimmung gemäß zu verwenden, brach er entzwei. Der eigentliche Zweck der Fabel aber ist es, Lessings Überlegungen folgend, Menschen zu treffen und mit einer Sittenlehre zu impfen. Diesen Zweck kann sie nicht erfüllen, wenn sie nicht direkt auf ihn zugeht, sondern den Leser durch Schönheiten am Wegesrand ablenkt, wie es manche Fabeldichter und besonders La Fontaine gemacht haben, die allzu sehr an eine künstlerische Gestaltung und allzu wenig an die Zweckbestimmung ihres Geschriebenen gedacht hätten.115 Sie würde ebensowenig ihre Bestimmung erfüllen können wie der mit Zierraten überhäufte Bogen und an ihren Verzierungen zerbrechen.

Ist der zentrale moralische Satz für die Fabel gefunden, so muss der Dichter diesen auf einen besondern Fall zurückführen. Im Zuge dieser Forderung verweist Lessing wieder auf seine zuvor umrissene Bestimmung des Handlungsbegriffs.116 Lessing hatte nämlich über die bereits erwähnte Definition hinaus bestimmt, dass von einer Handlung nur dann zu sprechen sei, wenn eine Fabel nur einen einzigen anschauenden Begriff erwecke. Bekäme der Leser mehrere Begriffe vermittelt, so liege mehr als ein moralischer Lehrsatz117 vor. Solch eine Überfrachtung einer Fabel dürfte Lessing besonders aus dem Grund abgelehnt haben, weil die Fabel hierdurch wieder an Kürze eingebüßt und an konstruktiver Komplexität gewonnen hätte.

Wurde der allgemeine Lehrsatz nun auf einen besonderen Fall zurückgeführt, so müsse ferner beachtet werden, dass dieser als wirklich vorgestellt118 werde. Die Wirklichkeit erteilt wird dem Einzelfall aber dadurch, dass eine individuell handelnde Figur eingeführt wird. Eine Gemeinschaft, eine Allgemeinheit handeln zu lassen, würde bedeuten, dass keine Fabel, sondern ein Beispiel oder eine Parabel vorliege.119 Wirklichkeit soll hier mithin nicht ein allgemeines Realitätsverständnis bezeichnen. Was stattdessen gemeint ist, lässt sich am besten an einer kurzen Fabel Lessings, Das Ross und der Stier, zeigen.120 Dort heißt es:

Auf einem feurigen Rosse floh stolz ein dreuster Knabe daher. Da rief ein wilder Stier dem Rosse zu: Schande! von einem Knaben ließ ich mich nicht regieren!

Unsere Erfahrung von Wirklichkeit zeigt, dass Pferde und Rinder nicht miteinander reden können. Wir würden gar bezweifeln, ob sie zu Überlegungen, wie sie in dieser Fabel angestellt werden, überhaupt fähig wären. Gleichwohl sieht Lessing der Fabel die Wirklichkeit erteilt, da nicht abstrakte Gesellschaften, sondern konkrete Individuen in ihr agieren. Er schreibt nämlich nicht, dass Pferde für gewöhnlich Menschen auf ihren Rücken trügen, was die Stiere doch als allzu lächerlich betrachteten, worauf die Pferde usw. Vielmehr skizziert er ein Handlungsbild, das konkret und fasslich vor die Augen des Lesers tritt: Da sprengt nämlich ein bestimmtes, wenngleich namenloses, Pferd mit einem bestimmten, wenngleich namenlosen, Jungen durch eine nicht genauer spezifizierte Gegend und trifft einen bestimmten, wenngleich namenlosen, Stier. Lessing entwirft also, um die Fabelhandlung als wirklich erscheinen zu lassen, eine Geschichte, die allerdings nicht ausufert, sondern durch ihre zahlreichen Aussparungen – wir erfahren beispielsweise nichts über Ort oder Zeit, an dem respektive zu der sich das Geschehen ereignete – immer noch dem Gebot der Kürze gerecht wird. So ist die Fabelhandlung zugleich allgemein, wie es ihr inhärenter Lehrsatz sein soll, und besonders, da einzelne Wesen in ihr handeln. Als Grund für die Forderung, nicht in allgemeinen, sondern besonderen Begriffen zu reden, denen die Wirklichkeit erteilt wurde, gibt Lessing seiner Ansicht Ausdruck, dass das Wirkliche eine lebhaftere Überzeugung mit sich führet als das bloße Mögliche.121 So zielt denn dieses Postulat ebenso wie die Forderung nach Kürze auf die Wirkung der Fabel.

Auch die Bestimmung, man möge den allgemeinen Satz der Moral anschauend erkennen, verweist auf die gewollte Wirkung der Fabeln. Lessing greift mit dem Begriff der anschauenden Erkenntnis auf die Philosophie Christian Wolffs zurück. Für diesen war die anschauende Erkenntnis das Zurückführen, die Reduktion eines deduktiven, also allgemeinen Lehrsatzes auf ein konkretes Beispiel. Dabei darf der Begriff der anschauenden Erkenntnis nicht allein als reduzierte und erst dadurch allgemein fassbare Form des Weltseins begriffen werden. Wolff betont vielmehr, dass jegliches Denken, von ihr seinen Ausgang nehme.122 In seiner Philosophia practica universalis von 1738 schreibt Wolff ferner, dass der in einer Fabeldichtung enthaltene Lehrsatz intuitiv verstanden werde und gerade deswegen für jedermann zugänglich sei.123 Wolff sieht Fabeln also ebenso wie Lessing als eine Erzählgattung an, mit deren Hilfe eine moralische Lehre effektiv, weil jedermann verständlich, verbreitet werden kann. Aus Lessings Sicht eröffnet die anschauende Erkenntnis im Sinne einer Zurückführung des allgemeinen, komplexen Lehrsatzes auf ein konkretes Beispiel dem Leser die Möglichkeit, ihn, den Lehrsatz, sofort in toto erkennen zu können. Denn: Die anschauende Erkenntnis ist vor sich selbst klar.124 Darüber hinaus habe die anschauende Erkenntnis auch einen weit größern Einfluß in den Willen125, als wenn der Dichter allein mit Symbolen arbeitete.

Knapp zusammengefasst und auch ein wenig reduziert lässt sich Lessings Fabeltheorie folglich als radikal wirkungsorientiert beschreiben. Die Fabel soll dem Leser eine Lehre mit auf den Weg geben. Darum wird alles abgelehnt, was dem Erfassen der fabelinhärenten Lehre entgegenstehen könnte. Um die Lehrwirkung zu unterstützen, benutzt Lessing in seinen Fabeln Tierfiguren. Denn er sieht im Gegensatz zu Breitinger den Grund für die Verwendung von Tiercharakteren in Fabeln nicht in der dadurch hervorgerufenen wunderbaren Stimmung der Erzählung. Vielmehr bedient er sich ihrer, um so kurz als möglich Charaktereigenschaften zu umreißen, was deswegen funktioniert, weil die Nennung von Tiernamen die allgemein bekannte Bestandheit der Charaktere126 von ihnen beim Leser aktiviere. Eine langatmige Charakterisierung der Fabelfiguren entfällt, die Fabel selbst wird kürzer, sie kann leichter vom Leser überschaut und aufgenommen werden. So dienen auch die Tiere der zu vermittelnden Lehre.

5 Lessings Fabeln und das aufgeklärte Bürgertum

Ein in Lessings Fabeln häufig auftretendes Motiv ist das der Selbstbescheidung. In Zeus und das Pferd127 wird erzählt, wie unzufrieden das Pferd mit seiner natürlichen Konstitution sei. Es habe zu kurze Beine, einen zu kurzen Hals, einen zu schmalen Brustkorb. Ferner könne es einen fest angewachsenen Sattel gut gebrauchen. Als Zeus ihm schließlich vorführt, dass es so den Körper eines hässliche[n] Kamel[s] bekäme, fährt es schaudernd zurück und begnügt sich mit seinen natürlichen Anlagen. Auf ähnlichen Motiven baut die Fabel Zeus und das Schaf128 auf. Auch hier wünscht das Tier sich eine andere körperliche Eigenschaft, explizit diejenige, stärker zu sein. Als Zeus ihm Veränderungen anbietet, scheut es jedoch zurück, diese zu akzeptieren, da ihm vor dem Ergebnis graut. Fühlt es sich auch zu schwach, so fürchtet es noch mehr, anderen schaden zu müssen. In beiden Fällen tritt die Selbstbescheidung zusammen mit einem unausgegorenen Wunsch auf. Unausgegoren ist dieser, da er geäußert wurde, bevor über ihn und die Konsequenzen seiner Erfüllung reflektiert wurde. Man könnte auch sagen, die Tierprotagonisten hätten sich nicht ihres Verstandes bedient, wären dafür einer idée fixe gefolgt. Die in den Fabeln enthaltene Lehre könnte mithin heißen: Besinne dich, ob du alles bedacht hast, ehe du der Erfüllung deiner Wünsche nachgehst. Zugleich wird in beiden Fabeln, in Zeus und das Pferd ziemlich direkt, in Zeus und das Schaf eher indirekt, ein Erziehungsvorgang beschrieben. Die Tiere werden unterrichtet und nehmen die Unterweisung augenscheinlich an. So wird nicht allein durch das Postulat, vernünftig zu sein und nachzudenken, sondern auch durch die augenscheinliche Absicht, aufzuzeigen, dass aus dem Fehlverhalten anderer gelernt werden kann, ein Zug der Zeit Lessings aufgegriffen: Gebrauche deinen Verstand und entwickle deine geistigen Möglichkeit durch Belehrungen weiter.129

Betrachtet man die beiden Fabeln hinsichtlich ihres formalen Aufbaus, so fällt zunächst ins Auge, dass Lessing den Texten kein Pro- oder Epimythion vorangestellt beziehungsweise angehängt hat. Der Leser wird dadurch gezwungen, ihnen ihren Sinn selbständig zu entnehmen, er wird zur geistigen Anstrengung aufgefordert.130 Zugleich sollten ihm die Charaktere der handelnden Figuren leicht, also ohne große interpretatorische Mühen zugänglich sein. Das Pferd wird dem Kamel gegenübergestellt, um die Unförmigkeit und Fremdartigkeit des zweiten noch zu betonen. Das Schaf trägt neben anderen ihm stereotyp zugeschriebenen Eigenschaften wie Naivität und Gehorsam auch die der Schwäche, welche in der betrachteten Fabel in den Vordergrund rückt. Den Gott Zeus wählt Lessing wohl, um die schöpferischen Eigenschaften eines Gottes für seine Erzählung verwenden zu können. Nun könnte man einwenden, er hätte genauso gut Gott schreiben können, wodurch die Figur dem deutschen Kulturkreis noch näher stünde und somit dem Leser zugänglicher wäre. Gleichwohl gibt es einen Grund für die Wahl Lessings. Denn die die Figuren in der Fabel dienen nicht allein der Typisierung; sie erfüllen darüber hinaus eine Verfremdungsfunktion. Dadurch, dass Lessing nicht Gott, sondern Zeus auftreten lässt, bekommt der Leser nur die unbedingt nötigen Eigenschaften der Figur vermittelt, ohne eine emotionale Bindung ihr gegenüber zu haben und vielleicht an geistige Traditionen erinnert zu werden, die hier nichts zur Sache tun. Er, der Leser, kann sich also auf den Inhalt der Handlung konzentrieren, über den Lessing die Lehre des Textes zu transportieren gedenkt. So wird die Aufmerksamkeit des Lesers auf das fokussiert, worum es dem Erzähler tatsächlich geht. Ferner wirkt der implizierte moralische Zeigefinger nicht so bedrohlich für ihn, als wenn der Autor den Gott auftreten ließe, der im 18. Jahrhundert höchste Autorität genoss. Kurzum: Die Figuren sind vor sich selbst klar131 und können intuitiv erfasst werden; deswegen die Wahl.

Wie aber hängt das Fabelmotiv der Selbstbescheidung mit der damaligen gesellschaftlichen Konstitution zusammen? Im 18. Jahrhundert begann sich im staatlich immer noch zersplitterten Deutschland allmählich eine industrielle und bürgerliche Elite herauszubilden.132 Daneben – undenkbar ohne die gewachsene Finanzkraft bürgerlicher Käufer und Mäzene – erfuhr der literarische Markt und somit auch das Druckwesen einen erheblichen Aufschwung.133 Die Person des Journalisten betrat die Bühne134, der Anfang für einen Strukturwandel der Öffentlichkeit135 war gemacht. Mit der wachsenden wirtschaftlichen Potenz des bürgerlichen Standes und dem Entstehen einer spezifisch bürgerlichen Zeitschriftenkultur wuchs im Bürgertum das Gefühl, einem eigenständigen, wertvollen, weil leistungsfähigen Stand anzugehören. Man begriff sich gegenüber der höfischen Welt nicht mehr als defizitär. Ein Pathos, wie es in der (literarischen) Bewegung der Empfindsamkeit durchweg anzutreffen ist, ist in diesem Zusammenhang als Form der Selbstvergewisserung und Selbstaufwertung, als Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins zu verstehen; aber auch als ein Akt der Aufklärung der Gefühle. Empfindsame Freundschaftszirkel und tränenreiche Zusammenkünfte dürfen nicht als naive, unreflektierte Gefühlsduselei abqualifiziert werden. Sie sind vielmehr Ausdruck einer neuen Selbstbewusstheit des Individuums und des Willens, literarischen und moralischen Vorbildern nachzueifern, sie sind Teil der Aufklärung.136 Dass das Bürgertum als Stand satisfaktionsfähig und darüber hinaus Adressat literarischer Produktionen geworden war, schlägt sich auch darin nieder, dass die ersten, dezidiert bürgerlichen Trauerspiele geschrieben werden (das erste deutsche war Lessings Miss Sara Sampson von 1755). Nicht mehr allein der Adel, sondern auch das Bürgertum wird als wahrhaft leidensfähig gewürdigt. Nimmt man all dies zusammen, so ist es nur folgerichtig, dass das Streben nach Annäherung an den Adelsstand nicht mehr so ausgeprägt war wie noch in vorhergehenden Jahrhunderten.

Das Bürgertum jedoch gibt es nicht und gab es nie. Wenn ich im Folgenden dennoch vereinfachend von dem Bürgertum spreche, dann soll hiermit ein gemeinsamer Wertekanon gemeint sein. Darüber hinaus ist es keineswegs so, dass dieses Bürgertum als Alleinvertreter aufklärerischer Werte angesehen werden sollte. Ganz im Gegenteil spielte in der aufklärerischen Bewegung der Adel und die Adelsherrschaft eine oft nicht unwesentliche Rolle.137 Wo die bürgerliche Moral im absolutistischen Staatsgebilde zu verorten ist, zeigt Reinhart Koselleck an der Staatsphilosophie Thomas Hobbes’:138 Der absolute Staat stelle von seiner Konstruktion her bereits einen Ansatzpunkt für die Aufklärung bereit, indem in ihm das private Gewissen dem politischen Willen des Fürsten überantwortet werde. Der Verzicht auf die Durchsetzung der persönlichen moralischen Vorstellungen und die daraus folgende Trennung von Gewissen und Tat139 suspendierte Konflikte, die auf dem Boden differierender moralischer Überzeugungen erst entstanden waren. Solche (religiös-dogmatischen) Konflikte prägten die Kriege des 17. Jahrhunderts entscheidend mit. Indem aber nun die Staatsführung über Handlungen und Taten ihrer Bürger entscheide und deren individuelle Überzeugungen nicht mehr an die Oberfläche politischen Handelns treten lasse, befriede sie die Gesellschaft. Der Staat werde zum vernünftigen Richter der unvernünftigen Menschen140. Der Mensch werde gleichsam in eine öffentliche und eine private Hälfte zerlegt – ein Motiv, das man später, zum Beispiel bei Kant, wiederfinden kann. In der Sphäre des Privaten können sich unter anderem Phänomene wie die oben angesprochene Empfindsamkeit als Ausdruck individueller Moralvorstellungen, aber auch persönliche religiöse Überzeugungen frei entfalten. Die öffentliche Seite, die Seite des Staates und ihre Zielvorstellungen aber sind ganz von dieser Welt. Die Neutralisierung des Gewissens durch die Politik leistet der Verweltlichung der Moral Vorschub.141 Durch diese Operation wird Moral also schon in der Theorie des absoluten Staates zu etwas Profanem, das nicht mehr allein dogmatisch, sondern auch rational diskutiert werden kann. Und dennoch wird dem Individuum trotz der im politischen Feld uneingeschränkten Macht des Fürsten ein immenser Freiraum überlassen: der Freiraum der inneren Gesinnung. Denn, so Golo Mann: Was der [absolute] Staat dem Bürger sichern soll, ist gerade seine Privatheit im altrömischen wie im modernen Sinn des Wortes142. Hier setzte die Aufklärung an, hier entstanden ihre Ideen, von hier aus verbreiteten sie sich. In Anbetracht dieser Überlegungen könnte man, wie ich denke, zugespitzt gar von einer Geburt der Aufklärung aus dem Geiste des Absolutismus sprechen.

Auf dieser Folie gelesen eröffnen Lessings Fabeln noch eine andere Bedeutungsschicht. Sich über seine Position in der Welt, sich über seine gesellschaftliche Position zu beklagen, erscheint nämlich unter den herrschenden politischen Bedingungen nicht mehr als sinnvoll, da im absoluten Staat ein ausreichender Freiraum vorhanden ist, den eigenen Gefühlen und Ansichten Raum zu geben. Wird in den beiden oben besprochenen Fabeln auch vornehmlich das Moment der Selbstbescheidung akzentuiert, so lässt sich daneben feststellen, dass, einen Schritt weitergedacht, diese Beschränkung zugleich neue Betätigungsräume auf Gebieten eröffnet, die vom Adel nicht besetzt und von der absoluten Herrschaft nicht sanktioniert werden. So weitet sich der Raum des Bürgertums allmählich aus, und gleichzeitig wird – in Lessings Fabeln zeigt sich das beispielhaft – nicht wahrgenommen, dass das bestehende gesellschaftliche Gefüge im Zuge dieses Prozesses umgestoßen werden muss.143

Das Motiv der Beschränkung auf seine eigenen Möglichkeiten wird von Lessing in seinen Fabeln nicht immer positiv konnotiert. In Die Gans144 wird es im Gegensatz zu den beiden oben besprochenen Zeusfabeln als eine Unmöglichkeit des Andersseins dargestellt, ganz gleich, welche Anstrengungen der Handelnde auch unternimmt: Die auf ihr schwanenweißes Gefieder stolze Gans bleibt trotz aller Mühen schwanengleich zu werden, eine Gans. Der entscheidende Gegensatz zu den Zeusfabeln ist, dass ihr überhaupt nicht die Möglichkeit gegeben wird, ihre persönliche Situation zu verändern. Alle Anstrengungen führen nur zu einem Ergebnis: Von einer Gans, die mit einem blendenden Geschenk der Natur ausgestattet ist, wird sie zur lächerliche[n] Gans. Man könnte diese Fabel als eine Beschreibung der sozialen Schichtung des 18. Jahrhunderts verstehen. Denn bemerkenswert ist, dass Lessing das als töricht beschriebene Tier in dem Moment, in dem es sich darum bemüht, seine Natur zu verleugnen und einem Schwan so ähnlich wie nur möglich zu werden, als majestätisch auf dem Teich schwimmend beschreibt. Darum denke ich, dass man nicht vollkommen fehl geht, wenn die Tiersymbole so aufgelöst werden, dass die Gans die bürgerliche und der Schwan die adelige Sphäre repräsentieren soll. Die Lehre wäre demnach eine negative: Der Ausbruch aus dem von Geburt an festgelegten Seinsbereich ist unmöglich und jeder Versuch, ihn dennoch zu vollziehen, kommt einem nicht zu entschuldigenden Fauxpas gleich. Der Bürger bleibt seiner bürgerlichen Schicht verhaftet und hat keine Möglichkeit, sich dem Adelsstand anzunähern. Diese desillusionierende Lehre lässt sich allerdings genau dann ins Positiv wenden, wenn die dem bürgerlichen Menschen mitgegebenen Eigenschaften und gebotenen Möglichkeiten – die blendenden Geschenke der Natur in der Fabel – nicht im sinnlosen Streben nach dem Unerreichbaren aufgebraucht werden. Vielmehr könnte eine Konzentration auf die dem Adel fernen Betätigungsfelder, eine Konzentration auf die Freiräume im absoluten Staat, die dem Bürger offen stehen, Abhilfe schaffen.

Von einer bürgerlichen Moral dieser Art ist Johann Heinrich Campes Kinderbuch Robinson der Jüngere (1779/1780) durchdrungen. Campe erläutert im Vorbericht des Buchs, welche Absichten er mit dem Verfassen seiner Robinsonade verfolgt habe. Interessant ist für diese Untersuchung der fünfte Grund145, den er anführt. Hier unterstreicht Campe nämlich dezidiert, dass er jedwede schwärmerische Haltung (Empfindsamkeitsfieber) ablehne.146 Er habe darum ein Buch geschrieben,

welches die Kinderselen aus der fantastischen Schäferwelt, welche nirgends ist, und in welche Andere sie hinzukörnen suchen, in diejenige wirkliche Welt, in der wir uns dermalen selbst befinden, und aus dieser in den ursprünglichen Zustand der Menschheit zurükführte, aus dem wir herausgegangen sind147.

Die Beschränkung auf die Akzeptanz der gegebenen gesellschaftlichen Umstände (diejenige wirkliche Welt), steht hier in positiver Weise einer schwärmerischen Haltung gegenüber, die Standesgrenzen nicht akzeptiert und zu überwinden trachtet. Denn es sei viel eher angebracht, dass man den Nachahmungstrieb der Kindersele […] unmittelbar auf solche Gegenstände richtete, welche recht eigentlich zu unserer Bestimmung gehören148. Würde man ihnen die Freiheit lassen sich ihr Betätigungsfeld selbst zu suchen, so meine Interpretation, dann führte das bei den Kindern eventuell zu einem grundsätzlichen Fehlverhalten, wie es Lessing in Die Gans beschrieben hat. Das eigentliche Vergehen des Tierprotagonisten in Lessings Fabel, wäre demnach (mit Campe gelesen), dass er sich wider seine Bestimmung verhält, dass er sich nicht zur innigsten Dankbarkeit gegen die göttliche Vorsehung149 ermuntern ließ. Wie aber kann man diese Beschränkung als positiv verstehen? Positiv wird sie in Campes Kinderbuch immer dann gewendet, wenn die Geschichte des Robinson Crusoe, wie sie der Vater seinen Kindern nach und nach erzählt, für ein bürgerliches Handlungskonzept nutzbar gemacht wird. Denn dieses Buch erschöpft sich nicht darin, eine phantastische Erzählung zu präsentieren (dergleichen würde ja auch Campes selbst geäußertem Anspruch zuwiderlaufen). Die Geschichte Robinsons wird vielmehr immer wieder als Anreiz für eine eigenständige und produktive Auseinandersetzung mit dem Schicksal des Schiffbrüchigen benutzt. Die Kinder, die die Geschichte hören, ahmen ihn nämlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach. Zum Beispiel berichtet der Romanerzähler, wie sich eines der Kinder aus eigenem Antrieb eine Jagdtasche gemacht habe, nachdem es hörte, wie Robinson Crusoe sich ohne jedes Werkzeug einen Sonnenschirm bastelte.150 Zu solchen handwerklichen Nachahmungen treten oftmals moralische Appelle, die von den Kindern verinnerlicht und ausgelebt werden. Wählt Robinson beispielsweise Arbeitsamkeit und Mäßigkeit als Richtschnur für sein zukünftiges Handeln, inspiriert dies die Kinder, sich für ihre täglichen Mahlzeiten selbst Beschränkungen aufzuerlegen.151 Diese dezidiert pädagogische Orientierung ist nicht allein für Campe typisch.152 Sie steht ebenso für die Grundhaltung der Epoche, die sich auch durch ihre erzieherischen und volksaufklärerischen Motivationen definiert.153 Dass Kinder nun nicht mehr als kleine Erwachsene behandelt wurden, sondern eben kindgerecht, ist zwar keine Erfindung der Aufklärung. Aber die Bedeutung der Erziehung (von Kindern) wird in ihr besonders betont. So findet sich beispielsweise im Artikel Feder-Spiel, dieses dienet zum Zeitvertreib in Zedlers Universal-Lexicon schon 1735 eine Anerkennung des lehrhaften Charakters, den das Spielen haben kann:

Es hat dieses Spiel [das Feder-Spiel] vor vielen andern seinen guten Nutzen, denn zu geschweigen, daß man dabey eines Kindes Geduld auf die Probe setzen kan(n), so lernen sie auch dabey in ihrer Handlung behutsam verfahren, und bekommen von dergleichen Modelle von mancherley Geräthschafft einen Begriff.154

Wenn man das erzieherische Ethos Campes abstrahiert, tritt der Zusammenhang mit den bisher besprochenen Fabeln Lessings deutlicher hervor. Die zunächst negative Einengung auf eine spezifische Lebenssphäre, wie sie in Die Gans beschrieben wird, wendet sich dadurch ins Positive, dass man sie mit einem zwar beschränkten, aber eigenverantwortlichen Handlungskonzept verbindet. So kann man meines Erachtens auch die abschließende Wendung in Zeus und das Schaf verstehen, in der das Schaf sich in sein Schicksal ergibt, schwach zu sein, dieses aber moralisch positiv deutet: besser Unrecht leiden als Unrecht tun155. Ist der Handlungsspielraum des Schafs auch reduziert, so liegt er immerhin in einem eigenen Verantwortungsraum und diesen kann man nach eigenem Ermessen, allein durch seine Grenzen beschränkt, nach Gusto möblieren.

Gerhard Bauer merkt ebenfalls an, dass die Veränderungswünsche der Tiere in den Fabeln Lessings durchweg als töricht apostrophiert werden. Allerdings interpretiert er die Fabeln nicht wie ich dahingehend, dass sie Selbstbescheidung propagieren wollen, um nicht weiter unerreichbaren Vorbildern nachzustreben, wodurch sich Raum für eigene Leistungen und ein ganz eigenes Weltverständnis eröffnet. Vielmehr meint er:

Das Bewußtsein [der Anderswertigkeit] soll die Schranken nicht noch befestigen, es soll an sie stoßen. Kann es sie auch in den relativ statischen Modellen der Fabeln niemals durchbrechen, so macht es sie doch auffällig.156

Die Herrschaftsverhältnisse blieben demnach zwar auch in Lessings Fabeln unangreifbar, doch würden die Begründungs- und Rechtfertigungsmechanismen dieser Herrschaft schärfer untersucht als bei seinen Vorgängern.157 Um die Übernahme von Herrschaft geht es demnach nicht. Denn die Bürgerlichen sind Privatleute; als solche herrschen sie nicht158, wie Habermas feststellt. Gleichwohl werden gegenüber der Herrschaft Forderungen nach Publizität, also einer Aufklärung über die Staatsgeheimnisse, erhoben. Hier geht es schon nicht mehr um die Befestigung eines eigenen Handlungsraums, die Publizität will Herrschaft als solche verändern159. Tatsächlich überschritt das Bürgertum seine Grenzen und eroberte den von ihnen abgesteckten Raum. Spätestens mit der Französischen Revolution (1789) war dies zur unumstößlichen Tatsache geworden. Gleichwohl scheint keine Bewusstheit für diesen gleichsam staatszersetzenden, weil gesellschaftsmodifizierenden Akt vorhanden gewesen zu sein.160 Die Vermutung, aller Selbstbescheidung zum Trotz könne man sich in dem zur Verfügung stehenden gesellschaftlichen Raum voll ausleben, trog letztlich. Diese Fehldeutung des Bürgertums lässt sich in den Fabeln Lessings immer wieder in verschlüsselter Form finden.

Eine Fabel, in der Lessing die Herrschaftsverhältnisse im Gegensatz zum antiken Vorbild tatsächlich relativiert, ist Der Wolf und das Schaf161. Wie bei Äsop162 treffen sich die beiden Tiere zufällig an einem Fluss. Das Schaf ist bei Lessing nicht etwa in einer stärkeren, dafür in einer geschützten und folglich gleichwertigen Position, welche es ermutigt, den Wolf verbal zu attackieren. Die Vergehen, die der Wolf dem Schaf bei Äsop als Scheinrechtfertigungen seines mörderischen Tuns vorwirft, werden für das Schaf hier zu Mitteln, den Wolf zu reizen. Dieser betont sodann hochmütig, Wölfe hätten generell Geduld mit Schafen. Welche Lehre verbirgt sich in diesem Text? Ich denke sie könnte heißen: Der Stärkere versucht noch in der schwächeren Position sein Verhalten mit Scheingründen zu rechtfertigen. So verhält sich zwar das Schaf durchaus in einer Weise, die, wie ich weiter unten zeigen werde, in anderen Fabeln Lessings gegeißelt wird. Doch steht im Zentrum dieser Fabel der Wolf, folglich die Figur in der höheren Position. Und das Verhalten der Figur in dieser gehobenen Stellung ist und bleibt nicht zu rechtfertigen; ob sie nun in der eindeutig stärkeren Position ist, wie bei Äsop, oder schon in einer geschwächten und nur noch gleichwertigen, wie bei Lessing.

Ferner fällt auf, dass Lessing die Bereiche, in denen sich Schaf und Wolf bewegen, klar voneinander scheidet. Man könnte diese Fabel darum zum einen als Ausdruck der Emanzipation des Schwächeren in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts verstehen. Zum anderen als Formulierung eines weiteren Zugs der Zeit, den Kant so formuliert: Unser Zeitalter ist das eigentliche Zeitalter der Kritik.163 Die Lage hat sich nicht grundsätzlich geändert, aber sie eröffnet neue Möglichkeiten, neue Handlungsräume. Ein Attribut dieser neuen Handlungsmöglichkeiten ist die (moralische) Kritik, die sich hier in der Form des Spotts äußert. Die Verhaltenskritik korreliert mit einer Selbsterhöhung und dem Bewusstsein, dass diese Aufwertung weiter, über den Moment hinaus reicht. Das Schaf, der Bürger hat sich emanzipiert. Wichtig ist, dass Emanzipation im damaligen Wortsinn aus Sicht des Bürgers ein passiver Akt gewesen ist. Emanzipation wird seitens der herrschenden Eliten gewährt und nicht aktiv erkämpft. Somit besteht gar nicht der Wille, in die Position des Stärkeren aufzurücken oder, schwächer ausgedrückt, diese Position in ihrer aktuellen Ausformung zu übernehmen. Denn das Streben nach Partizipation an der Macht, welches sich durchaus gleichzeitig entwickelte, kleidete sich vor allem in den bürgerlichen Wunsch, eine verfassungsmäßige Ordnung zu haben.164 Allein der Tausch gesellschaftlicher Plätze wurde nicht angestrebt. Das Schaf tritt nicht an die Stelle des Wolfs, es verspottet ihn. Ebenso verhält sich dies in Lessings Fabeln. In Zeus und das Schaf erschrickt das Schaf gar, wenn es vor die Wahl gestellt wird, mit Reißzähnen und Raubtierklauen bewehrt zu werden. Es erscheint ihm nicht als erstrebenswert, die Position eines Höhergestellten einzunehmen, da es nichts mit den reißenden Tieren gemein haben wolle. Denn es ist, wie schon oben zitiert, besser Unrecht leiden als Unrecht tun.165

Dass die Fabeln – trotz aller in ihnen propagierten Selbstbeschränkung – dennoch eine gesellschaftskritische Stoßrichtung haben, verweist darauf, dass es in ihnen um ein ganz anderes Gesellschaftssystem geht – nämlich ein durch eine Konstitution geregeltes, das Partizipation ohne Verleugnung der eigenen Herkunft ermöglicht. Auf die Aufklärungsphilosophie bezogen würde man sagen, die wesentliche Änderung ist, dass die tradierten Autoritäten, ob in Gesetzesform (als Dogma) oder in Form einer Person, die eine Institution repräsentiert, nicht mehr auf alle Zeiten hinaus ihre Stellung behalten müssen. Denn folgt man der Setzung Kants, dass keine für alle nachfolgenden Generationen verbindlichen Beschlüsse gefasst werden dürften, fielen auch gesellschaftsstrukturelle Verbindlichkeiten, wie sie bisher bestanden. Und auf dieses Moment des gesellschaftlichen Revirement scheinen auch die bis hierher besprochenen Fabeln zu verweisen. So wäre das in ihnen gestaltete bürgerliche Ethos in sich widersprüchlich: Einerseits wird die Beschränkung auf den gesellschaftlichen Raum, dem man angehört, propagiert. Andererseits bietet sich die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung wie nie zuvor, und diese greift über den eigenen gesellschaftlichen Raum hinaus. Eine solche Dialektik, die sich zwischen den Polen Gesellschaft und Individuum aufspannt, ist es, die sich in ihrer Synthese für die bürgerliche Welt in der Zukunft positiv wenden sollte. Die ambivalente Stellung des Bürgers könnte nämlich als Vorschule für die Übernahme der Macht verstanden werden, die in Deutschland allerdings erst mit dem Ende des wilhelminischen Kaiserreichs teilweise und dann weitestgehend durch (man traut es sich ja kaum zu sagen) die nivellierenden Tendenzen im Nationalsozialismus und schließlich die Bonner Demokratie der Nachkriegszeit erlangt wurde. Zu Lessings Zeiten ist aber noch klar, wer im Falle einer direkten Konfrontation derjenige ist, der sich durchsetzt. Nicht etwa der, der sich vernünftig und bescheiden beschränkt, sondern die rohe Gewalt, die schiere Macht der mit Waffen bewehrten Eliten.166 Diese fortdauernde Unterlegenheit steht aber, das ist der Witz dieser Dialektik, nicht in toto im Gegensatz zu den Interessen des Bürgertums. Denn es wird die Macht aus der wachsenden Stärke seiner eigenen Sphäre übernehmen; und nicht durch Okkupation des entgegengesetzten, adeligen Gesellschaftsbereichs.167

Direkter als in Der Wolf und das Schaf wird die Absetzung gegenüber der Sphäre des Hofes in Der Tanzbär168 gestaltet. Im Epimythion charakterisiert der Erzähler den Hofmann als eine Person, die sich allein durch Schmeichelein und listiges Gebaren auszeichne. Der Hofmann ist jemand, der nicht aufgrund persönlicher Eigenschaften, sondern allein durch Intrigen (Kabalen) seine Position am Hofe verändern kann. Kontrastiert wird diese Charakterisierung mit Witz, also geistiger Beweglichkeit, und Tugend, also moralischer Integrität. Die rhetorische Frage in den beiden letzten Versen, ob ein solcher Hofmann zu loben oder zu tadeln sei, lässt sich aus der Charakterisierung unumwunden zuungunsten des Hofmanns beantworten. Auffällt an dieser nicht in den drei Fabelbüchern Lessings erschienen Fabel, dass bei ihr, im Gegensatz zu den in den Büchern enthaltenen, der Bildteil vom Erzähler gedeutet wird. Und zwar auf eine Weise, die zweifeln lässt, ob all dies auch ohne die Hilfe des Erzählers dem Fabeltext selbst hätte entnommen werden können. Betrachtet man allein den Bildteil, könnte die in ihm liegende Lehre vielleicht lauten: Verleugnest du deine Wurzeln, wirst du ein Raub der Lächerlichkeit. Oder: Verstand und Selbstbescheidung schützen vor Sklaverei und Gedankenlosigkeit. Der Hofmann, der ja offensichtlich Sachhälfte zum Bild des Tanzbären sein soll, deckt sich mit diesem allein hinsichtlich der Eigenschaften, sich höfisch geziert und somit unnatürlich zu benehmen. Als schmeichlerisch oder listig möchte man den Bären allerdings nicht bezeichnen. Dagegen figuriert der alte Bär durchaus als jemand, der sich tugendhaft verhält und seinen Verstand gebraucht, also die nötigen Kontrasteigenschaften besitzt. Der Verstandesgebrauch, der hier der intriganten Attitüde des Hofmanns entgegengesetzt wird, wird auch in anderen Fabeln Lessings als wünschenswert hervorgehoben. Eher indirekt zum Beispiel in Der Stier und der Hirsch169. Der Hirsch geht mit dem Stier deswegen kein Bündnis gegen den Löwen ein, weil er sich selbst vom Löwen nicht als akut bedroht betrachtet. Gegen ihn zu kämpfen, wäre zwecklos, fliehen könne er vor ihm dementgegen leicht. Eine vernünftige Analyse der Situation, so könnte man diese Fabel abstrahieren, vermag einem die Richtschnur für das eigene Verhalten zu geben. In Die Hunde170 wird eine ähnliche Situation beschrieben. Ein weitgereister Pudel berichtet in dieser Fabel, dass die Hunde in Indien viel tapferer und darum besser seien als die in Deutschland. Sie würden sogar Löwen anfallen. […] überwinden sie ihn denn auch, den Löwen?, hinterfragt ein einheimischer Jagdhund die Darstellung des Pudels. Der Pudel kann nur verneinen. Und eben darum seien sie auch nicht ein Stück besser als die heimischen Hunde, aber ein gut Teil dümmer, schließt der Jagdhund. Wie in Der Stier und der Hirsch das Bündnisangebot vom Hirsch nicht ohne es zunächst abzuwägen angenommen wird, so akzeptiert der Jagdhund in Die Hunde nicht einfach die Einschätzung des berichtenden Pudels. Zunächst wird kritisch geprüft. Lessings Fabeln gehören auch deswegen deutlich in die Zeit der Aufklärung, weil sie oftmals Situationen schildern, die dem aufklärerischen Postulat, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen171, folgen. Und indem sie diese Forderung transportieren, gehorchen sie der Wirkungsästhetik, die Lessing in seiner Fabeltheorie entworfen hat.172

Der Appell zum Vernunftgebrauch ist implizit auch in der literarischen Struktur der Prosafabeln enthalten. Taucht in den Prosafabeln auch mitunter ein Wechsel der Bildebene am Ende des Textes auf, hat dieser Wechsel doch nie den Charakter einer Moral, die ein weiteres Nachdenken über die Bedeutung des Bildes überflüssig machte. Ein Beispiel hierfür bietet die Fabel Der Affe und der Fuchs173. Der Affe prahlt in ihr gegenüber dem Fuchs mit seinem Nachahmungsgeschick und fordert ihn auf, ein Tier zu nennen, das er nicht nachzuahmen verstehe. Der Fuchs aber erwidert, der Affe solle ihm ein Tier nennen, das es sich angelegen sein lassen würde, ihn, den Affen, nachzuahmen. Mit dem Nachsatz – Epimythion möchte ich es nicht nennen, da die Lehre aus ihm nicht klar ersichtlich ist – deutet Lessing an, auf welche Sachhälfte die Fabel bezogen werden könnte: Schriftsteller meiner Nation! – – Muß ich noch deutlicher erklären? Der Erzähler prangert durch seinen Ausruf die Nachahmungslust der deutschen Schreiber an und behauptet, dass sie bei all ihrem Schaffen doch nicht die Klasse hätten, selbst als Inspirationsobjekt für Schreiber aus fremden Nationen dienen zu können. In Lessings Theorie heißt eine Fabel wie Der Affe und der Fuchs zusammengesetzte.174 Eine zusammengesetzte Fabel liegt nämlich dann vor, wenn die Fabel auf ein wirkliches Geschehen angewandt wird, also in einem konkreten, nachvollziehbaren Handlungskontext steht und nicht nur eine Bildhälfte präsentiert. Lessing betont, dass ein und dieselbe Fabel sowohl einfach als auch zusammengesetzt sein könne. Ließe man bei Der Affe und der Fuchs die oben zitierte Apostrophe weg, so handelte es sich um eine einfache Fabel. Gerade weil die Bedeutung des Bildes aber in einem konkreten Zusammenhang aktualisiert wird, muss man sie schließlich als zusammengesetzte bezeichnen. Doch ob nun zusammengesetzt oder einfach; von eigener Interpretationsarbeit befreit Lessing seine Leser auch hier nicht. Beide Formen zielen auf den Verstandesgebrauch des Rezipienten.

6 Fazit

Die Fabeltheorie Lessings ist radikal wirkungsorientiert. Dabei wird die Wirkung der Fabel nicht danach beurteilt, ob die literarischen Ausschmückungen bezaubern oder die Sinne berauschen. Vielmehr besteht sie in einer Aufforderung an den Leser, den fabelinhärenten Sinn selbständig zu entschlüsseln. Das Ziel ist nicht nur die zu erkennende Moral. Der Weg, sie zu erlangen, ist aus Sicht Lessings unverzichtbar. Die Entschlüsselungsarbeit am Text und die fabelhaften Auftritte der Tiercharaktere sollen sie dem Leser ans Herz legen, auf dass er sie verinnerliche und nicht mehr vergesse. Keineswegs geht es ihm um stures Auswendiglernen einer Lehre, sondern um Erziehung durch eigenständige Auseinandersetzung mit dem Gegenstand, um Erziehung durch Vernunftgebrauch. In dieser Hinsicht ist Lessing ein Kind seiner Zeit. Denn der Blick auf verschiedene Poetiken des 18. Jahrhunderts hat deutlich gezeigt, dass sich bei Unterschieden im Detail doch eine Konstante feststellen lässt: die Essenz der Fabel, ihr Ziel wird überall in der in ihr enthaltenen Moral erblickt. Und diese Moral wird als für den Leser nutzbringend verstanden. Bei Breitinger, Gellert usw. rückt sie so weit in den Vordergrund, dass sie das horazische Delectare fast vollständig verdrängt. Die genuin literarische Gestaltung hat nur noch unterstützende Funktion. Genauso ist es bei Lessing: Die Fabel soll den Leser wie ein Pfeil treffen, überflüssige Verzierungen machen sie unbrauchbar, ihre Wirkung verpufft.175 Ihre Güte zeigt sich deshalb daran, ob sie ihre Moral präzise und wirkungsvoll zu transportieren vermag.

Und diese Moral ist bei Lessing von einem spezifischen bürgerlichen Ethos erfüllt. Die Ideen hinter den Fabeln, sind die Ideen der Selbstbeschränkung auf den eigenen, als wertvoll betrachteten Wirkungsbereich. Das Bürgertum begreift sich in ihnen als emanzipiert und versucht darum nicht die Grenzen einzureißen, die es von der adligen Sphäre trennen. Dabei erliegt es der Illusion, das gesellschaftliche System könne in seiner Struktur erhalten bleiben, obwohl man fortwährend an den Standesschranken rüttelt. Darum findet sich in Lessings Fabeln auch immer nur die Idee der Beschränkung auf den bürgerlichen Wirkungsbereich. Die Ständegesellschaft zu verändern, eine Revolution anzustreben, propagieren sie nie, wenngleich sie eng in das Bedingungsgefüge einer sich allmählich ändernden Gesellschaft verwoben sind.

Insofern sind in den Ideen, die hinter Lessings Fabeln stehen, das heißt die Ideen der Aufklärung, immer präsent. Die Fabeln üben Kritik an den gesellschaftlichen Grenzen, wollen sie aber nicht überschreiten.176 Die Gleichheit, hier vor allem die Gleichwertigkeit der Menschen, egal welcher gesellschaftlichen Schicht sie angehören, wird hervorgehoben. Aber auch diese Kritik zielt in Lessings Fabeln nie auf eine Modifikation des Systems an sich. Schließlich kann die Struktur beziehungsweise der Inhalt von Lessings Texten als ein Appell an die Vernunft des Lesers verstanden werden – und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen wird der Rezipient zur Genügsamkeit aufgefordert, er wird ermutigt, sich vernünftigerweise mit dem zufriedenzugeben, was er bereits besitzt. Zum anderen fordert ihn die Konstruktion der Texte heraus, sich seines eigenen Verstandes zu ihrer Entzifferung zu bedienen. Das Ergebnis ist die Erziehung des Lesers. Hinter diesem Ziel aber liegt ein umfassenderes: die Erziehung des Menschengeschlechts.

All dies machte die Fabel als Gattung im 18. Jahrhundert so populär: die erzieherische Wirkung, die man ihr zugesprochen hat, die Kürze und Eingängigkeit der Texte und der ihnen innewohnende Appell, sich geistig anzustrengen. Kaum ein literarisches Genre wäre besser geeignet, all die Grundüberzeugungen des 18. Jahrhunderts derart knapp und effektiv zu bündeln. Können der Zustand einer Gesellschaft und die philosophischen Überzeugungen eines Autors auch in Dramen, Romanen usw. literarisch gestaltet werden – die strukturellen Vorteile der Knappheit, der Überschaubarkeit und des durch die Verfremdungseffekte provozierten Appells, im Allgemeinen und nicht nur an den Einzelfall zu denken, den Vorteil, dabei nicht epigrammatisch abstrakt, sondern anschaulich zu sein, besitzt nur die Fabel. In einer Gesellschaft, in der noch um 1800 drei Viertel der Menschen Analphabeten waren,177 in der die Literatur also der Anschaulichkeit sowie des Vorlesens oder der Nacherzählung bedarf, um ihre Wirkungsbasis zu verbreitern, müssen Fabeltexte den wirkungsorientierten Aufklärungsliteraten ganz besonders attraktiv erschienen sein. Die Ideen der Aufklärung suchten nach einem ihnen entsprechenden literarischen Genre und fanden es in der Fabel.

Ferner muss bedacht werden, dass im Gewand der Fabel, weil sie als parabolische Gattung das Moment des uneigentlichen Sprechens per definitionem in sich trägt, über Dinge geredet werden kann, die anders nicht gesagt werden können oder nicht gesagt werden dürfen. Die Aufklärung und ihre Ideen sowie die Emanzipation des Bürgertums entfalteten sich in absolutistischen Staaten, die ein hoch entwickeltes Zensursystem besaßen.178 Unter einem derartigen Zensurdruck stehend beschritten Literaten zu allen Zeiten den Ausweg, ihre Gedanken zu verkleiden, sich einer Bildsprache, einer Ausdrucksweise zu bemächtigen, die erst entschlüsselt werden muss. Die daraus resultierende im Ungefähren bleibende Meinungsäußerung kann dann nicht mehr gegen sie verwendet werden. So musste Lessing zum Beispiel seine Auseinandersetzung mit dem Hamburger Hauptpastor Johann Melchior Goeze um das bibelkritische Werk Hermann Samuel Reimarus’ zunächst aufgeben, nachdem er 1772 vom braunschweigischen Herzog Publikationsverbot bekommen hatte. Nicht umsonst verwendete Lessing in Eine Parabel, eine seiner theologischen Streitschriften aus dem Jahre 1778, eine Schwestergattung der Fabel, um die Kritik an den Ansichten Goezes indirekt zum Ausdruck zu bringen und seine eigene Position darzustellen, ohne sich dabei selbst zu denunzieren. Schließlich verlagerte er den Streit geschickt auf die Bretter, die – hier wortwörtlich – die Welt bedeuten, und schrieb ein Drama, in dem er seiner Haltung Ausdruck gab: Nathan der Weise (1779). Auch darum kann man sagen, dass Fabeln als Kampfmittel der Aufklärung dienten. Nämlich insofern, als sich in ihnen zum einen eine neue Bewusstheit des Bürgertums manifestierte und zum anderen Aussagen und Appelle möglich wurden, die anders aus Zensurgründen nicht hätten gemacht werden können. Fabula docet, und das im Gewande der Unschuld.

7 Anhang

7.1 Zur Geschichte der Fabel im Schulunterricht

Die Fabel war über Jahrtausende hinweg eine Gattung, die sich äußerster Beliebtheit in Schulen erfreute. Die ältesten uns überlieferten Fabeln finden sich auf altägyptischen Schülertafeln aus dem ausgehenden 2. Jahrtausend v. Chr.179 In den Lateinschulen und Universitäten des Mittelalters und der frühen Neuzeit hat die Fabel einen festen Platz gehabt, als Lesestoff und Vorlage für grammatische oder rhetorische Übungen.180 Noch Lessing weist in seiner fünften Abhandlung über die Fabel (Von einem besondern Nutzen der Fabeln in den Schulen) nicht allein auf ihren nutzbringenden Charakter für die Schulung des Denkens, sondern auch auf die allgemeine Akzeptanz als Objekt des Grammatiktrainings hin. So verwendeten die Lehrer in den Vorübungen zum Erwerb der alten Sprachen Fabeln, indem sie ihren Schülern aufgaben, bald eine Fabel durch alle casus obliquos zu verändern, bald sie zu erweitern, bald sie kürzer zusammenzuziehen etc.181 Solche Übungen lehnte Lessing gleichwohl ab, da für dergleichen Vorgehen Fabeln nicht prädestiniert seien, vielmehr jede kleine Geschichte ebenso geschickt dazu ist182. Lessing betont vor allem, die Möglichkeit der geistigen Schulung anhand von Fabeltexten. Die von ihm vorgeschlagenen produktiven Verfahren des Veränderns, Erweiterns, Modifizierens usw.183 von Fabeln betrachtet er als probates Mittel zum Heranziehen von Erfindern und selbstdenkenden Köpfen184, an denen es derzeit mangle. Nicht die Heranbildung eines Dichters oder das Einüben technischer Fertigkeiten, sondern das Ausbilden im selbständigen Denken steht für Lessing im Vordergrund: Eine Überlegung, die an das kantische Diktum vom Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit185 und somit an die Philosophie der Aufklärung gemahnt, von der Lessing der wohl prononcierteste Vertreter in der deutschen Literatur war.

Die antirationalistischen Tendenzen des 19. Jahrhunderts, um mit Werner Ziesenis zu sprechen, hatten zur Folge, dass das Märchen in den Schulen zuungunsten der Fabel in den Vordergrund rückte und die den Fabeln inhärenten moralischen Intentionen märchenhaft-sentimentalen für Kinder zubereiteten Ausformungen186 weichen mussten. Eine veritable Renaissance erlebten Fabeln im Schulunterricht erst in den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts.187 Dazu dürften die historischen Umstände nicht unwesentlich beigetragen haben. Befand sich das Deutschland unter Konrad Adenauer noch in einer Phase politischer Restauration188, so rückte die Kritik an den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen und der mangelhaften Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit im Laufe dieses Jahrzehnts allmählich ins Zentrum der politischen Diskussionen. Für die Thematisierung von Konflikten, gleich welcher Natur, eignen sich Gattungen wie Fabel und Parabel hervorragend. In den Worten Klaus Gerths:

Die Wiederentdeckung der Fabel in der Literaturdidaktik fällt in die Jahre des kritischen, emanzipatorischen Literaturunterrichts. Die Gattung kam den neuen Zielen entgegen: sie verlangte Verstehen und Erkennen statt Fühlen und Erleben, sie fordert Distanzierung eher als Identifikation.189

Den produktiven Umgang mit Fabeln, wie ihn schon Lessing für die Bildung kritischen Denkens bei Schülern vorschlug, sieht Karl Hotz durch diese Entwicklung allerdings nicht unbedingt gestärkt. So seien besonders in der Sekundarstufe II produktive Möglichkeiten vollkommen außer Acht geraten. Vielmehr scheine die Fabel nur noch als Exempel für den literaturhistorischen Unterricht in Verwendung.190 Ziesenis hingegen warnt vor der Verselbständigung von eigenen Fabel- und Parabelproduktionen:

Die kritische Frage wird bleiben müssen, ob die Schüler bei produktionsorientierter Kafka-Lektüre am Ende wirklich Kafka lesen oder nur noch ihre Eigenversuche, die zum Gegenstand – wiederum eines, zuvor in Frage gestellten, Interpretationsgesprächs – werden.191

Allerdings scheint es, als müsse man Karl Hotz Recht geben. In Texte, Themen und Strukturen, einem aktuellen Schulbuch, finden sich ganze zwei Fabeln, beide von Lessing und, wie es die Fragestellungen192 zu ihnen zeigen, in der eindeutigen Absicht dort platziert, die Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts verdeutlichen zu helfen. Dabei ist es bei diesem Beispiel auf jeden Fall gerechtfertigt, Fabeln in solcher Weise historisch eindimensional zu behandeln, zumal sie gerade in der Epoche der Aufklärung von exzeptioneller Bedeutung waren, was man für vorhergehende und nachfolgende Epochen der deutschen Literatur nicht in gleichem Maße behaupten kann. Die geringe Trennschärfe zur Parabel, wie sie in der Forschung oftmals konstatiert wird193, könnte gleichwohl als Gegenargument für eine derart vereinzelte Rezeption dienen.

Kann die Verwendung von Fabeln im Deutschunterricht heute also noch als sinnvoll betrachtet werden? Ich denke, ja. Wenn es um so komplexe Dinge wie die Aufklärungsphilosophie und gesellschaftliche Veränderungen im 18. Jahrhundert geht, bieten Fabeln eine übersichtliche und kurze Möglichkeit, diesen Kontext anhand literarischer Werke zu erschließen. Sie sollten aus dieser Sicht im Unterricht auf keinen Fall fehlen. Doch auch für sich genommen hätte die Behandlung der Gattung einen Wert, da sie an eine in jeder literarischen Äußerung enthaltene Aufforderung rührt: den Appell, ein vorliegendes literarisches Werk zu deuten und nicht einfach nur nachzuerzählen oder zu paraphrasieren.

7.2 Zitierte Fabeln

Franz Kafka: Kleine Fabel194

Ach, sagte die Maus, die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.Du mußt nur die Laufrichtung ändern, sagte die Katze und fraß sie.

Gotthold Ephraim Lessing: Der Besitzer des Bogens195

Ein Mann hatte einen trefflichen Bogen von Ebenholz, mit dem er sehr weit und sehr sicher schoß und den er ungemein wert hielt. Einst aber, als er ihn aufmerksam betrachtete, sprach er: Ein wenig zu plump bist du doch! Alle deine Zierde ist die Glätte. Schade! – Doch dem ist abzuhelfen, fiel ihm ein. Ich will hingegen und den besten Künstler Bilder in den Bogen schnitzen lassen. – Er ging hin; und der Künstler schnitzte eine ganze Jagd auf den Bogen; und was hätte sich besser auf einen Bogen geschickt als eine Jagd?

Der Mann war voller Freuden. Du verdienst diese Zieraten, mein lieber Bogen! – Indem will er ihn versuchen; er spannt, und der Bogen – zerbricht.

Gotthold Ephraim Lessing: Das Ross und der Stier196

Auf einem feurigen Rosse floh stolz ein dreuster Knabe daher. Da rief ein wilder Stier dem Rosse zu: Schande! von einem Knaben ließ ich mich nicht regieren!

Aber ich, versetzte das Roß. Denn was für Ehre könnte es mir bringen, einen Knaben abzuwerfen?

Gotthold Ephraim Lessing: Zeus und das Pferd197

Vater der Tiere und Menschen, so sprach das Pferd und nahte sich dem Throne des Zeus, man will, ich sei eines der schönsten Geschöpfe, womit du die Welt gezieret, und meine Eigenliebe heißt mich es glauben. Aber sollte gleichwohl nicht noch Verschiedenes an mir zu bessern sein? –

Und was meinst du denn, das an dir zu bessern sei? Rede; ich nehme Lehre an, sprach der gute Gott und lächelte.

Vielleicht, sprach das Pferd weiter, würde ich flüchtiger sein, wenn meine Beine höher und schmächtiger wären; ein langer Schwanenhals würde mich nicht verstellen; eine breitere Brust würde meine Stärke vermehren; und da du mich doch einmal bestimmt hast, deinen Liebling, den Menschen, zu tragen, so könnte mir ja wohl der Sattel anerschaffen sein, den mir der wohltätige Reiter auflegt.

Gut, versetzte Zeus; gedulde dich einen Augenblick! Zeus, mit ernstem Gesicht, sprach das Wort der Schöpfung. Da quoll Leben in den Staub, da verband sich organisierter Stoff; und plötzlich stand vor dem Throne – das häßliche Kamel.

Das Pferd sah, schauderte und zitterte vor entsetzendem Abscheu.

Hier sind höhere und schmächtigere Beine, sprach Zeus; hier ist ein langer Schwanenhals; hier ist eine breitere Brust; hier ist der anerschaffene Sattel! Willst du, Pferd, daß ich dich so umbilden soll?

Das Pferd zitterte noch.

Geh, fuhr Zeus fort; diesmal sei belehrt, ohne bestraft zu werden. Dich deiner Vermessenheit aber dann und wann reuend zu erinnern, so daure du fort, neues Geschöpf – Zeus warf einen erhaltenden Blick auf das Kamel – – und das Pferd erblicke dich nie, ohne zu schaudern.

Gotthold Ephraim Lessing: Zeus und das Schaf198

Das Schaf musste von allen Tieren vieles leiden. Da trat es vor den Zeus und bat, sein Elend zu mindern.

Zeus schien willig und sprach zu dem Schafe: Ich sehe wohl, mein frommes Geschöpf, ich habe dich allzu wehrlos erschaffen. Nun wähle, wie ich diesem Fehler am besten abhelfen soll. Soll ich deinen Mund mit schrecklichen Zähnen und deine Füße mit Krallen rüsten? –

O nein, sagte das Schaf, ich will nichts mit den reißenden Tieren gemein haben.

Oder, fuhr Zeus fort, soll ich Gift in deinen Speichel legen?

Ach!, versetzte das Schaf, die giftigen Schlangen werden ja so sehr gehasset. –

Nun, was soll ich denn? Ich will Hörner auf deine Stirne pflanzen, und Stärke deinem Nacken geben.

Auch nicht, gütiger Vater, ich könnte leicht so stößig werden als der Bock.

Und gleichwohl, sprach Zeus, musst du selbst schaden können, wenn sich andere, dir zu schaden, hüten sollen.

Müsst ich das!, seufzte das Schaf. O so lass mich, gütiger Vater, wie ich bin. Denn das Vermögen, schaden zu können, erweckt, fürchte ich, die Lust, schaden zu wollen; und es ist besser Unrecht leiden als Unrecht tun.

Zeus segnete das fromme Schaf, und es vergaß von Stund an zu klagen.

Gotthold Ephraim Lessing: Die Gans199

Die Federn einer Gans beschämten den neugebornen Schnee. Stolz auf dieses blendende Geschenk der Natur, glaubte sie, eher zu einem Schwane als zu dem, was sie war, geboren zu sein. Sie sonderte sich von ihresgleichen ab und schwamm einsam und majestätisch auf dem Teiche herum. Bald dehnte sie ihren Hals, dessen verräterischer Kürze sie mit aller Macht abhelfen wollte. Bald suchte sie ihm die prächtige Biegung zu geben, in welcher der Schwan das würdigste Ansehen eines Vogels des Apollo hat. Doch vergebens, er war zu steif, und mit aller ihrer Bemühung brachte sie es nicht weiter, als daß sie eine lächerliche Gans ward, ohne ein Schwan zu werden.

Gotthold Ephraim Lessing: Der Wolf und das Schaf200

Der Durst trieb ein Schaf an den Fluß; eine gleiche Ursache führte auf der andern Seite einen Wolf herzu. Durch die Trennung des Wassers gesichert und durch die Sicherheit höhnisch gemacht, rief das Schaf dem Räuber hinüber: Ich mache dir doch das Wasser nicht trübe, Herr Wolf? Sieh mich recht an; habe ich dir nicht etwa vor sechs Wochen nachgeschimpft? Wenigstens wird es mein Vater gewesen sein. Der Wolf verstand die Spötterei; er betrachtete die Breite des Flusses und knirschte mit den Zähnen. Es ist dein Glück, antwortete er, daß wir Wölfe gewohnt sind, mit euch Schafen Geduld zu haben, und ging mit stolzen Schritten weiter.

Gotthold Ephraim Lessing: Der Esel und der Wolf201

Ein Esel begegnete einem hungrigen Wolfe. Habe Mitleiden mit mir, sagte der zitternde Esel; ich bin ein armes, krankes Tier; sieh nur, was für einen Dorn ich mir in den Fuß getreten habe! –

Wahrhaftig, du dauerst mich, versetzte der Wolf. Und ich finde mich in meinem Gewissen verbunden, dich von diesen Schmerzen zu befreien. –

Kaum war das Wort gesagt, so war der Esel zerrissen.

Gotthold Ephraim Lessing: Der Tanzbär202

Ein Tanzbär war der Kett’ entrissen,
Kam wieder in den Wald zurück,
Und tanzte seiner Schar ein Meisterstück
Auf den gewohnten Hinterfüßen.
»Seht«, schrie er, »das ist Kunst; das lernt man in der Welt.
Tut es mir nach, wenn’s euch gefällt
Und wenn ihr könnt!« – »Geh«, brummt ein alter Bär,
»Dergleichen Kunst, sie sei so schwer,
Sie sei so rar sie sei,
Zeigt deinen niedern Geist und deine Sklaverei.«
 
Ein großer Hofmann sein,
Ein Mann, dem Schmeichelei und List
Statt Witz und Tugend ist;
Der durch Kabalen steigt, des Fürsten Gunst erstiehlt,
Mit Wort und Schwur als Komplimenten spielt,
Ein solcher Mann, ein großer Hofmann sein,
Schließt das Lob oder Tadel ein?

Gotthold Ephraim Lessing: Der Stier und der Hirsch203

Ein schwerfälliger Stier und ein flüchtiger Hirsch weideten auf einer Wiese zusammen.

Hirsch, sagte der Stier, wenn uns der Löwe anfallen sollte, so laß uns für einen Mann stehen; wir wollen ihn tapfer abweisen. – Das mute mir nicht zu, erwiderte der Hirsch; denn warum sollte ich mich mit dem Löwen in ein ungleiches Gefecht einlassen, da ich ihm sichrer entlaufen kann?

Gotthold Ephraim Lessing: Die Hunde204

Wie ausgeartet ist hierzulande unser Geschlecht! sagte ein gereister Pudel. In dem fernen Weltteile, welches die Menschen Indien nennen, da, da gibt es noch rechte Hunde, Hunde, meine Brüder – – ihr werdet mir es nicht glauben und doch habe ich es mit meinen Augen gesehen – die auch einen Löwen nicht fürchten und kühn mit ihm anbinden.

Aber, fragte den Pudel ein gesetzter Jagdhund, überwinden sie ihn denn auch, den Löwen?

Überwinden? war die Antwort. Das kann ich nun eben nicht sagen. Gleichwohl, bedenke nur, einen Löwen anzufallen! –

Oh, fuhr der Jagdhund fort, wenn sie ihn nicht überwinden, so sind deine gepriesenen Hunde in Indien – besser als wir soviel wie nichts – aber ein gut Teil dümmer.

Gotthold Ephraim Lessing: Der Affe und der Fuchs205

Nenne mir ein so geschicktes Tier, dem ich nicht nachahmen könnte, so prahlte der Affe gegen den Fuchs. Der Fuchs aber erwiderte: Und du nenne mir ein so geringschätziges Tier, dem es einfallen könnte, dir nachzuahmen.

Schriftsteller meiner Nation! – – Muß ich noch deutlicher erklären?

Äsop: Der Wolf und das Lamm206

Ein Wolf sah, wie ein Lamm aus irgendeinem Fluss trank. Er suchte einen vernünftigen Anlass, um es zu fressen. Deshalb stellte er sich weiter oben an das Ufer und warf dem Lamm vor, dass es das Wasser trübe mache und ihn nicht trinken lasse. Als das Lamm entgegnete, dass es am Ufer stehe und trinke und es auch nicht möglich sei, dass jemand, der weiter unten steht, das Wasser oberhalb dieser Stelle durcheinanderbringe, ließ der Wolf von dieser Begründung ab und sagte: Aber du hast im vorigen Jahr meinen Vater beleidigt. Als das Lamm entgegnete, es sei noch nicht einmal ein Jahr alt, sagte der Wolf zu ihm: Auch wenn du in der Lage bist, dich geschickt zu rechtfertigen, werde ich dich deshalb etwa nicht fressen?

Die Geschichte veranschaulicht, dass bei denjenigen, die die Absicht haben, eine Untat zu begehen, auch eine gelungene Rechtfertigung keinen Eindruck macht.

8 Literatur

8.1 Primärtexte

Äsop: Fabeln. Hrsg. u. übersetzt v. Rainer Nickel. Düsseldorf/Zürich (2004); [= Äsop Fabeln].

Aristoteles: Poetik. Übersetzt u. hrsg. v. Manfred Fuhrmann. Stuttgart (1999); [= Aristoteles Poetik].

Ders.: Rhetorik. Übersetzt u. hrsg. v. Gernot Krapinger. Stuttgart (2003); [= Aristoteles Rhetorik].

Breitinger, Johann Jacob: Critische Dichtkunst. Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1740. Bd. 1. Stuttgart (1966); [= Breitinger Dichtkunst].

Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere, zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung für Kinder. Hrsg. v. Alwin Binder u. Heinrich Richartz. Bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart (2000); [= Campe Robinson].

Descartes, René: Discours de la Méthode […]. Abhandlung über die Methode […]. Mainz (1948); [= Descartes Methode].

Gellert, Christian Fürchtegott: Von dem Nutzen der Fabel (1744) (Auszug). In: Texte zur Theorie der Fabel. Hrsg. v. Erwin Leibfried u. Josef M. Werle. Stuttgart (1978), S. 50–51; [= Gellert Fabel].

Gottsched, Johann Christoph: Die Schauspiele und besonders die Tragödien sind aus einer wohlbestellten Republik nicht zu verbannen. In: Ders.: Schriften zur Literatur. Hrsg. v. Horst Steinmetz. Stuttgart (1998), S. 3–11; [= Gottsched Schauspiele].

Ders.: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. In: Ebd., S. 12–211; [= Gottsched Dichtkunst].

Horaz: Ars Poetica/Die Dichtkunst. Übersetzt u. mit einem Nachwort hrsg. v. Eckart Schäfer. Stuttgart (2002); [= Horaz Ars].

Kafka, Franz: Sämtliche Erzählungen. Hrsg. v. Paul Raabe. Frankfurt a. M. (1994); [= Kafka Erzählungen].

Kant, Immanuel: Was ist Aufklärung? Ausgewählte kleine Schriften. Mit einem Text zur Einführung von Ernst Cassirer. Hrsg. v. Horst D. Brandt. Hamburg (1999); [= Kant Aufklärung].

Lessing, Gotthold Ephraim: Eine Duplik. In: Lessings Werke: In sechs Bänden. Bd. 6. Berlin (o. J.), S. 59–119; [= Lessing Duplik].

Ders.: Fabeln und Erzählungen. Abhandlungen über die Fabel. In: Ders.: Werke in fünf Bänden. Bd. 5. Weimar (1959), S. 77–221; [= Lessing Fabeln].

Mendelssohn, Moses: Über die Frage: was heißt aufklären? In: Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen. Hrsg. v. Ehrhard Bahr. Stuttgart (2002); [= Mendelssohn Aufklärung].

Platon: Der Staat. Übersetzt v. Otto Apelt. Leipzig (1978); [= Platon Staat].

Ders.: Kratylos. In: Ders.: Sämtliche Werke, Bd. 2. Übersetzt v. Friedrich Schleiermacher. Hamburg (1957), S. 123–181; [= Platon Kratylos].

Ders.: Phaidon. Übersetzt v. Friedrich Schleiermacher. Stuttgart (2003); [= Platon Phaidon].

Rousseau, Jean-Jacques: Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen. Übersetzt u. hrsg. v. Philipp Rippel. Stuttgart (2005); [= Rousseau Abhandlung 2].

Ders.: Abhandlung über die von der Akademie zu Dijon gestellte Frage, ob die Wiederherstellung der Wissenschaften und Künste zur Läuterung der Sitten beigetragen habe. In: Ders.: Sozialphilosophische und Politische Schriften. München (1981), S. 5–35; [= Rousseau Abhandlung 1].

Ders.: Emil oder Über die Erziehung. Übersetzt v. Ludwig Schmidts. 6. Auflage, Paderborn u. a. (1983); [= Rousseau Emil].

Wieland, Christoph Martin: Sechs Fragen zur Aufklärung. In: Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen. Hrsg. v. Ehrhard Bahr. Stuttgart (2002); [= Wieland Aufklärung].

Winckelmann, Johann Joachim: Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst/Sendschreiben/Erläuterungen. Stuttgart (2003); [= Winckelmann Gedanken].

Wolff, Christian: Philosophia practica universalis II 2, § 302–316 (1738) (Auszug). Aus dem Lateinischen übertragen von Hermann Kleber und Josef M. Werle. In: Texte zur Theorie der Fabel. Hrsg. v. Erwin Leibfried u. Josef M. Werle. Stuttgart (1978), S. 34–42; [= Wolff Philosophia].

http://woerterbuchnetz.de/Adelung/: Adelung, Johann Christoph: Art. Fabel. In: Ders.: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart […]. Zweyter Theil, von F-L. Wien (1811), Sp. 2–3, eingesehen am 5. Dezember 2006; [= Adelung Fabel].

http://www.zedler-lexikon.de/: N. N.: Art. Dunckelheit. In: Grosses vollständiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Künste […]. Siebender Band, D. Verlegt v. Johann Heinrich Zedler. Halle/Leipzig (1734), Sp. 1596–1598, eingesehen am 10. Dezember 2006; [= Zedler Dunckelheit].

http://www.zedler-lexikon.de/: N. N.: Art. Fabel. In: Grosses vollständiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Künste […]. Neunter Band, F. Verlegt v. Johann Heinrich Zedler. Halle/Leipzig (1735), Sp. 4–11, eingesehen am 5. Dezember 2006; [= Zedler Fabel].

http://www.zedler-lexikon.de/: N. N.: Art. Feder-Spiel, dieses dienet zum Zeitvertreib. In: Ebd., Sp. 409–410, eingesehen am 10. Dezember 2006; [= Zedler Feder-Spiel].

8.2 Sekundärtexte

Barudio, Günter: Das Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung: 1648–1779. (Fischer Weltgeschichte: Vom Absolutismus zum bürgerlichen Zeitalter, Bd. 1.) Frankfurt a. M. (1981); [= Barudio 1981].

Bauer, Franz J.: Das lange 19. Jahrhundert (1789–1917): Profil einer Epoche. Stuttgart (2004); [= Bauer 2004].

Bauer, Gerhard: Der Bürger als Schaf und als Scherer: Sozialkritik, politisches Bewußtsein und ökonomische Lage in Lessings Fabeln. In: Euphorion 67 (1973), S. 24–51; [= Bauer 1973].

Biermann, Heinrich/Schurf, Bernd (Hrsg.): Texte, Themen und Strukturen: Deutschbuch für die Oberstufe. Berlin (1999); [= Biermann/Schurf 1999].

Borgstedt, Angela: Das Zeitalter der Aufklärung. Darmstadt (2004); [= Borgstedt 2004].

Cassirer, Ernst: Die Philosophie der Aufklärung. Hamburg (1998); [= Cassirer 1998].

Coenen, Hans Georg: Die Gattung Fabel: Infrastrukturen einer Kommunikationsform. Göttingen (2000); [= Coenen 2000].

Dithmar, Reinhard: Die Fabel. 8. Auflage, Paderborn u. a. (1997); [= Dithmar 1997].

Elm, Theo/Hasubek, Peter: Einleitung: Fabel und Parabel in der Kultur der Aufklärung. In: Fabel und Parabel: Kulturgeschichtliche Prozesse im 18. Jahrhundert. Hrsg. v. Theo Elm u. Peter Hasubek. München (1994), S. 7–15; [= Elm/Hasubek 1994].

Gerth, Klaus: Fabeln und Witze. In: Praxis Deutsch 11 (1984), S. 14–24; [= Gerth 1984].

Göpfert, Herbert G.: Über Buchhändler und Buchhandel zur Zeit der Aufklärung. In: Ders.: Vom Autor zum Leser: Beiträge zur Geschichte des Buchwesens. München (1977), S. 47–62; [= Göpfert 1977].

Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit: Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt a. M. (1990) [1. Auflage 1962]; [= Habermas 1990].

Harth, Dietrich: Christian Wolffs Begründung des Exempel- und Fabelgebrauchs im Rahmen der Praktischen Philosophie. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 52 (1978), S. 43–62; [= Harth 1978].

Hotz, Karl: Du mußt nur die Laufrichtung ändern.: Die Fabel als produktive Leseanweisung: Traditionelle Fabeln und moderne Texte nach Fabelart. In: Praxis Deutsch 11 (1984), S. 56–60; [= Hotz 1984].

Jahn, Günter: Lessings Fabelabhandlungen: Ein Elementarbuch der Didaktik und Methodik. Bielefeld (2000); [= Jahn 2000].

Jung, Werner: Art. Gellert, Christian Fürchtegott. In: Killy Literaturlexikon. Bd. 4. Hrsg. v. Volker Meid. Gütersloh/München (1993), S. 104–106; [= Jung 1993].

Koselleck, Reinhart: Kritik und Krise: Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt. Frankfurt a. M. (1973); [= Koselleck 1973].

Lecke, Bodo: Fabula docet – Zum didaktisch-methodischen Lehrwert der Fabeltheorie G. E. Lessings. In: Sprichwort, Rätsel und Fabel im Deutschunterricht: Geschichte, Theorie und Didaktik einfacher Formen. Hrsg. v. Joachim S. Hohmann. Frankfurt a. M. (1999), S. 300–322; [= Lecke 1999].

Mann, Golo: Der europäische Geist im späten 17. Jahrhundert. In: Propyläen Weltgeschichte, Bd. 7. Hrsg. v. Golo Mann u. August Nitschke. Berlin/Frankfurt a. M. (1964), S. 349–384; [= Mann 1964].

Sauder, Gerhard: Art. Empfindsamkeit. In: Killy Literaturlexikon, Bd. 14.: Begriffe, Realien, Methoden. Hrsg. v. Volker Meid. Gütersloh u. a. (1993), S. 202–206; [= Sauder 1993].

Schalk, Fritz: Die europäische Aufklärung. In: Ebd., S. 467–512; [= Schalk 1964].

Schweikle, Irmgard: Art. Empfindsamkeit. In: Metzler-Literatur-Lexikon: Begriffe und Definitionen. Hrsg. v. Günther u. Irmgard Schweikle. 2., überarbeitete Auflage, Stuttgart (1990), S. 122; [= Schweikle 1990].

Seebold, Elmar (Hrsg.): Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 23., erweiterte Auflage, Berlin/New York (1999); [= Kluge 1999].

Stephan, Inge: Aufklärung. In: Beutin, Wolfgang et al.: Deutsche Literaturgeschichte: Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 5., überarbeitete Auflage, Stuttgart/Weimar (1994), S. 121–153; [= Stephan 1994].

Störig, Hans Joachim: Kleine Weltgeschichte der Philosophie. 16., verbesserte Auflage, Stuttgart/Berlin/Köln (1993); [= Störig 1993].

Vindt, Lidija: Die Fabel als literarisches Genre. In: Poetica 9 (1977), S. 98–115; [= Vindt 1977].

Wäsche, Erwin: Die verrätselte Welt: Ursprung der Parabel: Lessing – Dostojewskij – Kafka. Meisenheim am Glan (1976); [= Wäsche 1976].

Winkler, Heinrich August: Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom Dritten Reich bis zur Wiedervereinigung. 5., durchgesehene Auflage, München (2002); [= Winkler 2002].

Ziesenis, Werner: Fabel und Parabel. In: Günter Lange u. a.: Textarten – didaktisch: Eine Hilfe für den Literaturunterricht. 3., unveränderte Auflage, Hohengehren (2001), S. 33–38; [= Ziesenis 2001a].

Ders.: Fabel und Parabel im Unterricht. In: Taschenbuch des Deutschunterrichts: Grundfragen und Praxis der Sprach- und Literaturdidaktik. Bd. 2. Literaturdidaktik: klassische Formen, Trivialliteratur, Gebrauchstexte. Hrsg. v. Günter Lange et al. 7., unveränderte Auflage, Baltmannsweiler (2001), S. 554–578; [= Ziesenis 2001b].

Anmerkungen

1 Vgl. Kafka Erzählungen: S. 405.

2 In ebd.: S. 320. Ob es sich hierbei wirklich um eine Fabel handelt, ist durchaus diskussionswürdig, soll aber nicht weiter thematisiert werden. Der Text findet sich auch im Anhang in Kap. 7.2.

3 Elm/Hasubek 1994: S. 9.

4 Zit. n. Dithmar 1997: S. 124.

5 Im Anhang (Kap. 7.1) findet sich zusätzlich, vom Rest des Textes unabhängig, ein kurzer Abriss über die Rezeption und Bearbeitung der Textgattung Fabel in der Schule.

6 Vgl. Vindt 1977: S. 98.

7 Lecke 1999: S. 313 und Dithmar 1997: S. 235 erwähnen, dass die erste uns bekannte Fabel sich auf einer ägyptischen Schülertafel findet, die um 1100 v. Chr. beschrieben wurde.

8 Vgl. Coenen 2000: S. 10–31, Dithmar 1997: S. 163–205, Vindt 1977: S. 99, Ziesenis 2001a: S. 34–37.

9 Wäsche 1976: S. 12.

10 Dithmar 1997: S. 180.

11 Zedler Dunckelheit: Sp. 1596.

12 Ebd.: Sp. 1597–1598. Gleichzeitig zieht er eine scharfe Grenze zu den Bereichen, zu denen die Erkenntnisfähigkeit des Menschen keinen Zutritt habe: in so fern uns hingegen GOtt die Dinge verbergen wollen, muß unser Hochmuth nicht verleiten eine thörichte und unmögliche Untersuchung anzustellen (Sp. 1598). Die Forderung an sich eröffnet gleichfalls einen kritischen Zugriff auch auf den Raum der Metaphysik. Vgl. zu dieser Grenze außerdem Cassirer 1998: S. 15 u. unten im Kap. die Interpretation der Passage aus Lessings Eine Duplik.

13 Genauso Cassirer 1998: S. 5: Wenn das achtzehnte Jahrhundert diese Kraft bezeichnen, wenn es ihr Wesen in einem Wort einfangen will: so greift es hierfür nach dem Namen der Vernunft. Die Vernunft wird ihm zum Einheitspunkt und Mittelpunkt.

14 Vgl. Borgstedt 2004: S. 1: Die Aufklärung […] ist eine vereinheitlichende, Widersprüche bereinigende und glättende Etikettierung.

15 Störig 1993: S. 367.

16 Vgl. zur Haskala Borgstedt 2004: S. 48–53.

17 Vgl. Stephan 1994: S. 122. Bei den folgenden, kursiv gesetzten Absatzüberschriften handelt es sich um wörtliche Zitate aus dem Aufsatz Stephans, die ich nicht mehr gesondert ausweisen werde.

18 Kant Aufklärung: S. 60–61, Anm. 1.

19 Ebd.: S. 20.

20 Lessing Duplik: S. 61.

21 Ebd.: S. 61.

22 Vgl. Cassirer 1998: S. XI, S. 7–9 u. Störig 1993: S. 385. Parallel dazu die Vernunft, die nach Thomas Hobbes den absoluten Staat konstituiert (vgl. Kap. 5). Nicht im Inhalt, sondern im Prinzip äußert sie sich. Oder mit Kosellecks Worten: Vernünftig ist in solchem Staat [wie ihn Hobbes beschreibt] nur die formale Gesetzmäßigkeit der Gesetze, nicht ihr Inhalt, vernünftig ist das formale Gebot der politischen Moral, den Gesetzen unabhängig von ihrem Inhalt zu gehorchen. (Koselleck 1973: S. 25)

23 Dasselbe findet sich z. B. auch bei Rousseau Abhandlung 2: S. 45, wenn er als den fundamentalen Unterschied zwischen Mensch und Tier die Fähigkeit, sich zu vervollkommnen, eine Fähigkeit, die mit Hilfe der Umstände nacheinander alle anderen Fähigkeiten entwickelt und die uns ebenso als Gattung wie als Individuen innewohnt findet.

24 Lessing Duplik: S. 61.

25 Cassirer 1998: S. 15–16 fasst diese Haltung als einen typischen Wesenszug des 18. Jahrhunderts auf, auch indem er auf Lessing (S. 17) rekurriert.

26 Vgl. Kant Aufklärung: S. 5, S. 10 (in: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht).

27 Kant Aufklärung: S. 5.

28 Vgl. Cassirer 1998: S. 27–28.

29 Wieland Aufklärung: S. 27.

30 Vgl. Kant Aufklärung: S. 22.

31 Man muss sich auf jeden Fall davor hüten, Friedrich II. als Kompagnon der Aufklärungsphilosophie zu verstehen. Denn er war und verstand sich v. a. als absoluten Herrscher. Wenn sein absoluter Herrschaftsanspruch sich mit progressiven, aufgeklärten Zielen nicht vertrug, bestand nicht der geringste Zweifel, für welche Seite er sich entscheiden würde. Das, was als spezifisch aufgeklärt wahrgenommen wurde, diente wohl eher zur Steigerung staatlicher Effizienz und Macht (Borgstedt 2004: S. 20). Vgl. zur Ambivalenz im Verhalten Friedrichs II. Barudio 1981: S. 238–262 u. Koselleck 1973: S. 98; vgl. zum aufgeklärten Absolutismus i. A. Borgstedt 2004: S. 18–34.

32 Kant Aufklärung: S. 26.

33 Vgl. Koselleck 1973: S. 29–30.

34 Vgl. Störig 1993: S. 416–417 u. Borgstedt 2004: S. 27.

35 Vgl. auch Koselleck 1973: S. 94–95.

36 So von Thomas Hobbes, der den Menschen auch in eine öffentliche und private Hälfte teilte. Der öffentliche Teil (Handlungen und Taten) wird staatliche kontrolliert und sanktioniert, der private Teil (Gesinnung) bleibt frei. Die Aufklärung wird später den Innenraum der Gesinnung sukzessive ausweiten, aber jeder Anspruch auf das Staatliche blieb zwangsläufig von dem Schleier des Geheimen umhüllt. (Koselleck 1973: S. 29.)

37 Kant Aufklärung: S. 10, Anm. 1.

38 Ebd.: S. 35; vgl. auch Rousseau Abhandlung 2: S. 45.

39 Nur um zu illustrieren, dass diese Wendungen nicht allein Kant zueigen waren, ein Zitat von Moses Mendelssohn: Je mehr der gesellige Zustand eines Volks durch Kunst und Fleiß mit der Bestimmung des Menschen in Harmonie gebracht worden, desto mehr Bildung hat dieses Volk. (Mendelssohn Aufklärung: S. 4.)

40 Rousseau weicht hier ab: Er vertritt ein zyklisches Geschichtsmodell.

41 Kant Aufklärung: S. 25.

42 So, zumindest als Wunschbild, auch in Rousseau Abhandlung 2: S. 8: Ich hätte mir gewünscht, frei zu leben und zu sterben, das heißt, auf solche Weise den Gesetzen unterworfen zu sein, daß weder ich noch sonst jemand ihr ehrwürdiges Joch abschütteln könnte […]. / Ich hätte mir also gewünscht, daß niemand im Staat von sich sagen könnte, über dem Gesetz zu stehen […]. Denn welcherart auch die Verfassung einer Regierung sein mag – wenn sich da nur ein einziger Mensch findet, der dem Gesetz nicht unterworfen ist, so sind alle anderen notwendigerweise dessen Belieben ausgeliefert. Vgl. auch Borgstedt 2004: S. 12.

43 Vgl. hierzu die oben erwähnten Positionen Wielands und Kants.

44 Vgl. Borgstedt 2004: S. 11.

45 Kant Aufklärung: S. 22.

46 Vgl. ebd.: S. 55–56. Womit er, nebenbei bemerkt, mit René Descartes bricht, der gerade die Möglichkeit, Gott zu denken, als Beweis für dessen Existenz feierte (vgl. Descartes Methode: S. 83 in Kap. 4).

47 Kant Aufklärung: S. 25 (in: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?).

48 Vgl. ebd.: S. 14 (in: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht).

49 Vgl. auch Cassirer 1998: S. 215.

50 Vgl. Wieland Aufklärung: S. 24.

51 Vgl. auch Cassirer 1998: S. XII.

52 Rousseau Emil: S. 267.

53 Cassirer 1998: S. 181: So ist es, vor allem im Kreise der deutschen Aufklärungsphilosophie, nicht die Auflösung der Religion, sondern ihre transzendentale Begründung und ihre transzendentale Vertiefung, nach der mit allen Kräften gestrebt wird.

54 Zweiunddreißig Bände zwischen 1749 und 1789.

55 Schalk 1964: S. 474.

56 Vgl. ebd.: S. 474; wohl auch wegen Angriffen gegenüber seinem Werk (vgl. Cassirer 1998: S. 64).

57 Cassirer 1998: S. 7.

58 Rousseau Abhandlung 1: S. 10. Das Zitat stammt aus Horaz’ De Arte Poetica (V. 25).

59 Siehe meine Erörterungen zum Gattungsbegriff in Kap. 2.

60 Vgl. Kluge 1999: S. 243, s. v. Fabel: Die Bedeutung lehrhafte Tiergeschichte geht auf eine Übernahme des 18. Jhs. aus dem Französischen zurück.

61 Zedler Fabel: Sp. 4.

62 Ebd.: Sp. 5.

63 Siehe Kap. 2.

64 Zedler Fabel: Sp. 9; vgl. hierzu auch die Bedeutung der Lehrhaftigkeit der Fabel, wie sie sich bei Gellert, Gottsched usw. im Folgenden darstellt.

65 In Gottsched Dichtkunst: S. 85 heißt es: Die Fabel ist hauptsächlich dasjenige, so die Seele der ganzen Dichtkunst ist, wie Aristoteles im VI. Kap. seiner Poetik schreibt. Die – von Gottsched auszugsweise zitierte – entsprechende Stelle bei Aristoteles lautet in der Übersetzung Manfred Fuhrmanns: Das Fundament und gewissermaßen die Seele der Tragödie ist also der Mythos (Aristoteles Poetik: S. 23). Gottsched bezieht diese Aussage Aristoteles’ allerdings nicht allein auf Tragödien, sondern jede Form von Dichtung.

66 Gottsched Dichtkunst: S. 87.

67 Ebd.: S. 97.

68 In Breitinger Dichtkunst: S. 164–262.

69 Ebd.: S. 166.

70 Gottsched Dichtkunst: S. 85.

71 Ebd.: S. 102.

72 Gottsched Schauspiele: S. 6.

73 Ebd.

74 Zedler Fabel: Sp. 5.

75 Horaz Ars: V. 333; die Dichter wollen entweder nützen oder erfreuen.

76 Winckelmann Gedanken: S. 39.

77 Ebd.

78 Vgl. Kap. 2.

79 Winckelmann Gedanken: S. 99.

80 Vgl. Kap. 3.

81 Vgl. Rousseau Emil: S. 255–256.

82 Ebd.: S. 255.

83 Vgl. Ebd.: S. 95–100.

84 Aristoteles Rhetorik: II, 20 (S. 121).

85 Vgl. zur Person Jung 1993: S. 104–106.

86 Gellert Fabel: S. 50.

87 Ebd.: S. 50–51.

88 Vgl. Lessing Fabeln: S. 213.

89 So auch Lecke 1999: S. 301.

90 Platon Staat: X, 8 (607b–608b).

91 Platon Phaidon: 60c–61b; es ist in der Forschung nicht ganz klar, was zuerst entstand, die Politeia oder der Phaidon; zumindest gehören beide derselben Epoche an.

92 Ebd.: 61a–b. Hinter dieser Äußerung steht die antike Vorstellung, dass sich die Götter den Menschen im Traum offenbaren. Mithin gehorcht Sokrates so den Göttern.

93 Ebd.: 61b.

94 Vgl. Platon Staat: X, 8 (607b–608b).

95 Vgl. hierzu das Höhlengleichnis am Anfang des 7. Buchs von Der Staat.

96 Hier hinkt Platons Überlegung übrigens, denn er gibt keinen Grund an, warum ein Maler das Bild eines Bettes nicht auch nach der ursprünglichen Idee desselben anfertigen könnte, wodurch er sich auf derselben Wirklichkeitsstufe wie ein Handwerker befände.

97 Platon Kratylos: 430d.

98 Platon Staat: X, 6 (604b–605c).

99 Ebd.: X, 8 (607b–608b).

100 Ebd.

101 Es bleibt im Übrigen noch die Frage zu klären, ob Äsop aus Sicht Platons überhaupt zu den Dichtern zu rechnen war. Platons Schüler, Aristoteles, hat ihn ja offenbar eher als Rhetor denn als Poet betrachtet.

102 Siehe Kap. 3; Lessing schrieb einen Text, sein philosophisches Hauptwerk, mit diesem Titel.

103 Gottsched Dichtkunst: S. 102.

104 Breitinger Dichtkunst: S. 129–130.

105 Ebd.: S. 178–179.

106 Adelung Fabel: Sp. 3. Die erste von Adelung identifizierte Bedeutungsschicht (1) Ein jedes allgemeines Gespräch und der Gegenstand desselben; Sp. 2) ist heute verloren gegangen.

107 In Lessing Fabeln: S. 154–185.

108 Ebd.: S. 154.

109 Ebd.: S. 185.

110 Ebd.: S. 166.

111 Vgl. ebd.: S. 166–167.

112 Ebd.: S. 211.

113 In ebd.: S. 138 sowie in Kap. 7.2.

114 Vgl. ebd.: S. 212–213.

115 Vgl. auch ebd.: S. 173: Zu einer vollkommenen Fabel könne eine Erzählung nicht werden, wenn sie den geringsten Zug mehr oder weniger enthielte, als den Lehrsatz anschauend zu machen nötig ist.

116 Vgl. auch ebd.: S. 177.

117 Ebd.: S. 167.

118 Ebd.: S. 179.

119 Vgl. ebd.: S. 180.

120 In ebd.: S. 117 u. Kap. 7.2.

121 Ebd.: S. 183.

122 Vgl. Harth 1978: S. 48.

123 Vgl. Wolff Philosophia: S. 40.

124 Lessing Fabeln: S. 181.

125 Ebd.: S. 182.

126 Ebd.: S. 189 (in der zweiten Abhandlung Von dem Gebrauche der Tiere in der Fabel).

127 In Lessing Fabeln: S. 115 u. Kap. 7.2.

128 In ebd.: S. 132 u. Kap. 7.2.

129 Siehe dazu Kap. 3.

130 Hier folgt Lessing Rousseaus Forderung, die Lehre müsse aus dem Text selbst erkannt und dürfe nicht explizit ausformuliert werden (vgl. Rousseau Emil: S. 255–256).

131 Vgl. Kap. 4.2.

132 Vgl. Habermas 1990: S. 56, Stephan 1994: S. 122.

133 Vgl. zur Lesekultur Habermas 1990: S. 13–14, S. 77–85 u. S. 99–102, Stephan 1994: S. 126–127.

134 Vgl. zur Bedeutung des Gazettenwesens und der Moralischen Wochenschriften Barudio 1981: S. 245 bzw. Stephan 1994: S. 123–124.

135 Vgl. Jürgen Habermas’ gleichnamigen Titel (Habermas 1990).

136 Vgl. Habermas 1990: S. 115–116 u. zur Empfindsamkeit Schweikle 1990 u. Sauder 1993. Die Empfindsamkeit ist kein rein bürgerliches Phänomen; auch der Adel machte sich die neue affektive Norm zu eigen (Sauder 1993: S. 204).

137 Vgl. Bauer 2004: S. 66–67.

138 Vgl. Koselleck 1973: S. 18–32.

139 Ebd.: S. 22.

140 Ebd.: S. 25.

141 Ebd.: S. 31.

142 Mann 1964: S. 354.

143 Das Moment des Nichtgewahrwerdens korrespondiert mit der These von Koselleck 1973: S. 5: […] der kritische Prozeß der Aufklärung hat die Krise im gleichen Maße heraufbeschworen, wie ihr der politische Sinn dieser Krise verdeckt blieb. Vgl. auch ebd.: S. 6–9.

144 In Lessing Fabeln: S. 118 u. Kap. 7.2.

145 Vgl. Campe Robinson: S. 6–8.

146 Zu Bedenken ist, dass zu dieser Zeit die erste Welle der Empfindsamkeit bereits im Abflauen begriffen ist (vgl. Sauder 1993: S. 203) und desavouiert war. Tatsächlich schlug sich in der literarischen Produktion der Empfindsamkeit eine spezifisch bürgerliche Moral deutlich nieder.

147 Campe Robinson: S. 7.

148 Ebd.

149 Ebd.: S. 8.

150 Ebd.: S. 71–73.

151 Ebd.: S. 219–221.

152 Göpfert 1977: S. 54 konstatiert, dass man in Campe den Prototyp eines Aufklärungsverlegers sehen könne. Denn sein ganzes verlegerisches Streben sei pädagogisch ausgerichtet gewesen.

153 Vgl. Borgstedt 2004: S. 13 u. S. 53–62. Auch in der Haskala, der jüdischen Aufklärungsbewegung, spielte das Motiv der Bildung eine entscheidende Rolle (vgl. ebd.: S. 50).

154 Zedler Feder-Spiel: Sp. 410.

155 Lessing Fabeln: S. 132.

156 Bauer 1973: S. 31.

157 Vgl. ebd.: S. 34.

158 Habermas 1990: S. 87.

159 Ebd.

160 Vgl. Koselleck 1973: S. 5.

161 In Lessing Fabeln: S. 153 u. Kap. 7.2.

162 Vgl. Äsop Fabeln: Der Wolf und das Lamm (S. 91–92 u. Kap. 7.2).

163 Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. Zit. n. Bauer 2004: S. 42–43. Diese Kritik muss sich nicht auf Abstrakte Ideale beschränken. In den Institutionen der Kunstkritik, Literatur-, Theater- und Musikkritik einbegriffen, organisiert sich das Laienurteil des mündigen oder zur Mündigkeit sich verstehenden Publikums. (Habermas 1990: S. 103.)

164 Vgl. Bauer 2004: S. 41–45.

165 Sozialkonservative Haltungen des Bürgertums sind mitunter noch in der Frühphase des Konstitutionalismus Anfang des 19. Jahrhunderts zu beobachten (vgl. Bauer 2004: S. 68).

166 So in Der Esel und der Wolf (in Lessing Fabeln: S. 123 u. Kap. 7.2).

167 Vgl. hierzu v. a. Koselleck 1973: S. 68–86. Das Bestreben der Freimaurer, die Macht im Staat schleichend zu übernehmen, geht von der eigenen Stärke und der eigenen gesellschaftlichen Sphäre aus. Die Macht wüchse so aus der eigenen Sphäre heran und würde nicht durch Okkupation einer fremden erlangt. Damit wäre sie letztlich auch von anderer Natur.

168 In Lessing Fabeln: S. 80 u. Kap. 7.2.

169 In ebd.: S. 123 u. Kap. 7.2.

170 In ebd.: S. 120 u. Kap. 7.2.

171 Kant Aufklärung: S. 20 (in Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?).

172 Vgl. Kap. 4.2.

173 In Lessing Fabeln: S. 116 u. Kap. 7.2.

174 Vgl. ebd.: S. 154–155.

175 Vgl. dazu Lessings Metafabel Der Besitzer des Bogens (in Lessing Fabeln: S. 117 u. in Kap. 7.2).

176 Vgl. dazu Kants Gehorsamspostulat in Kap. 3.

177 Vgl. Stephan 1994: S. 123.

178 War die Zensur im deutschen Absolutismus auch mitunter gelockert worden, so griffen die Fürsten in dem Moment, in dem der kritische Druck zu groß wurde, auch auf dieses Instrument der Gedankenkontrolle zurück. Vgl. zur Zensur im Preußen Friedrichs II. Barudio 1981: S. 244–248.

179 Vgl. Lecke 1999: S. 313, Dithmar 1997: S. 235.

180 Vgl. Ziesenis 2001b: S. 568, Jahn 2000: S. 53.

181 Lessing Fabeln: S. 217.

182 Ebd.: S. 217.

183 Vgl. ebd.: S. 219–221.

184 Ebd.: S. 217.

185 Kant Aufklärung: S. 20; siehe auch Kap. 3.

186 Ziesenis 2001b: S. 568.

187 Vgl. Ziesenis 2001b: S. 568 u. S. 571–573, Gerth 1984: S. 14–15, Lecke 1999: S. 320.

188 Winkler 2002: S. 178 zieht den Begriff der konservativen Modernisierung vor, gesteht aber zu, dass tatsächlich viele Elemente aus der Verfassung der Weimarer Republik (1918–1933) restauriert wurden: der Rechtsstaat, der Föderalismus und der Pluralismus; eingestandenermaßen nicht die schlechtesten. Wie konservativ gleichwohl das Klima der Mittfünfziger gewesen sein muss, belegen von Winkler angeführte Zahlen: Noch im Jahre 1955 fanden die kaiserlichen Farben Schwarz-Weiß-Rot bei den Bundesbürgern mehr Anklang als die Bundesfarben Schwarz-Rot-Gold: 43 zu 38% lautete einer Umfrage zufolge das Zahlenverhältnis. (Winkler 2002: S. 169.)

189 Gerth 1984: S. 16.

190 Vgl. Hotz 1984: S. 56.

191 Ziesenis 2001b: S. 574. Auch Dithmar hält eine Verwendung der Gattung Fabel im produktionsorientierten Unterricht nur dann für sinnvoll, wenn die Intention des Erzählers beachtet und die Gefahr abgewehrt werde, dass nur Geschichten mit unverbindlicher Lebensweisheit entstehen. (Dithmar 1997: S. 247–248.)

192 1. Beschreiben Sie in einer Gegenüberstellung, welche gesellschaftlichen Leitbilder der Zeit in Lessings Fabeln abgelehnt und welche propagiert werden. (Biermann/Schurf 1999: S. 215) Bei der zweiten Aufgabe handelt es sich um einen Vorschlag des Vergleichs dieser Gesellschaftsbilder mit den heutigen.

193 Vgl. z. B. Ziesenis 2001b: S. 554, Dithmar 1997: S. 180, meine Erörterungen in Kap. 2.

194 Zit. n. Kafka Erzählungen: S. 320.

195 Zit. n. Lessing Fabeln: S. 138.

196 Zit. n. ebd., S. 117.

197 Zit. n. ebd., S. 115.

198 Zit. n. ebd., S. 132.

199 Zit. n. ebd., S. 118.

200 Zit. n. ebd., S. 153.

201 Zit. n. ebd., S. 123.

202 Zit. n. ebd., S. 80.

203 Zit. n. ebd., S. 123.

204 Zit. n. ebd., S. 120.

205 Zit. n. ebd., S. 116.

206 Zit. n. Äsop Fabeln: S. 91–92.