Zedlers Universal-Lexicon und das Problem seiner inhaltlichen Erschließung
Zur Theorie und Praxis der Lexikographie des 18. Jahrhunderts

Johann Heinrich Zedlers Universal-Lexicon ist mit seinen insgesamt 68 Folianten das umfangreichste Nachschlagewerk des 18. Jahrhunderts. Auf ca. 63 000 Seiten versammelt es rund 284 000 Artikel aus den unterschiedlichsten Wissensfeldern, was für so manchen Zeitgenossen an sich schon ein Problem darstellte. Denn die Integration des im Lexikon versammelten Wissens wurde erst durch seine Herauslösung aus der Ordnung des jeweiligen Wissensfeldes und seine Neuformierung in alphabetischer Ordnung möglich – eine nicht nur in Bezug auf das Universal-Lexicon kritisierte Methode. So musste sich das Universal-Lexicon in einem Spannungsfeld zwischen den unvereinbaren Ansprüchen nach Sammlung und Ordnung von Wissen behaupten, eine Aporie, die die Lexikonmacher aufzulösen versuchten, aber nicht mehr vermochten.

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Dass Johann Heinrich Zedler um 1730 plante, seinem Verlagsprogramm ein Lexikon hinzuzufügen, ist an sich kein ungewöhnlicher Schritt, erschienen doch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Deutschland so viele Lexika wie nie zuvor, zumal in Leipzig, dem deutschen Zentrum von Buchproduktion und -vertrieb, in das Zedler 1727 mit seiner Verlagsbuchhandlung übergesiedelt war.1 Leipziger Verlegerfamilien wie Gleditsch oder Fritsch hatten für ihr Sortiment in der Vergangenheit bereits Speziallexika zu allen erdenklichen Themen drucken lassen. Zedler entschied sich somit, ein Segment zu bedienen, das sich bereits vor Jahrzehnten etabliert hatte und lukrativ erschien. Sein Plan sah allerdings nicht vor, der Masse an bereits existierenden Lexika, die sich thematisch mehr oder minder stark beschränkten, ein weiteres hinzuzufügen. Auf die Frage, mit welchen Themen sich sein Lexikon beschäftigen werde, hätte er durchaus mit einem lakonischen mit allen antworten können. Das werbewirksame Eigenlob im Vorbericht zum 19. Band des von ihm verantworteten Grossen Vollständigen Universal Lexicons Aller Wissenschafften und Künste (1732–54)2 rückt zumindest genau dies in den Vordergrund. Zedler rühmt es dort als ein Werk, das in einem Buche alles enthalte, was das allmächtige und allerweiseste Wesen hervorgebracht hat.3

Titelblatt des »Universal-Lexicons« von 1732
Abb. 1: Das Titelblatt von Zedlers Universal-Lexicon von 1732 listet minutiös die im Lexikon integrierten Wissensfelder auf. (Quelle)

Dieses allumfassende Programm des Lexikons wird bereits auf dem überladenen Titelblatt ausgebreitet, das minutiös alle in ihm zu findenden Themenfelder auflistet. Zwar ist es zu dieser Zeit immer noch nicht unüblich, einem Lexikon solch ein barockes Titelblatt voranzustellen, doch wäre es zu einfach, hierin allein Konvention oder den übertreibenden Gestus eines Kaufmanns zu sehen, der durch großartige Versprechen möglichst viele Abnehmer für sein Produkt zu gewinnen suchte. Das häufige Auftauchen des Wörtchens alles, die kleiner werdenden Drucktypen, die in Auslassungszeichen auslaufen, und Formulierungen wie ein vollkommener Inbegriff der allergelehrtesten Männer […] und der von ihnen gemachten Entdeckungen sollten vielmehr als programmatische Positionierung verstanden werden. Denn so gelesen umreißt bereits das Titelblatt ein Gebiet, dessen Grenzen nicht mehr genau zu lokalisieren sind, das nicht nur einzelne Personen, sondern auch die Dinge und Konzepte einschließt, mit denen sie zusammenzudenken sind. Auf diese Weise wird das thematische Feld entgrenzt, es erweitert sich zu einer nicht exakt bestimmbaren Größe, es wird buchstäblich universal, eine Tendenz, die sich schon in der Planungsphase des Lexikons abzeichnete.4 Auf dem Boden dieser Programmatik entstand ein monumentales Werk von 68 Folianten, die all das enthalten, was schon das Titelblatt des ersten verspricht – allerdings in je nach Sachgebiet variierender Gewichtung und letztlich unvollständig, brechen die Supplemente doch mit dem Buchstaben C ab. Der letzte Eintrag, als wollte er ein Zeichen für die Unmöglichkeit sein, wirklich das gesamte Wissen der Zeit in einem Werk zu bündeln, lautet Caq. ….5

Das Alphabet als Ordnungsprinzip

Die Artikel des Universal-Lexicons variieren hinsichtlich Inhalt, Stil und Umfang stark. Zu finden sind sowohl einzeilige als auch mehrere hundert Spalten lange Artikel, die von der äußeren Form her mal nüchtern-distanziert, mal romanesk-ausufernd daherkommen. Keine Spur von einer alle Artikel verbindenden formalen Einheit. Das einzige Prinzip, dem sie alle gehorchen, bleibt die alphabetische Ordnung, in der die Lemmata aufeinanderfolgen. Auch wenn Zedler und Carl Günter Ludovici, der mit Band 19 die Herausgeberschaft des Universal-Lexicons übernahm, dieses Ordnungsprinzip lobend hervorheben, weil man so ohne die geringste Mühe6 beziehungsweise ohne grosse Mühe7 finden könne, was man suche – gerade an ihm lassen sich viele der Probleme festmachen, denen man beim Zugriff auf das Lexikon gegenübersteht.8 Der schon physisch unübersichtliche Umfang, die entgrenzte Stoffmasse, die große stilistische und formale Varianz der Artikel und eben die alphabetische Ordnung tragen darüber hinaus dazu bei, dass die gesammelten Informationsmassen nicht mehr als eine Ganzheit in ihren Bezügen, nicht mehr als sichtbarer Niederschlag von Wissen, sondern als mal mehr, mal weniger willkürlich konstituierte Wissenspartikel erscheinen.

Dabei ist es gerade die thematische Entgrenzung des Universal-Lexicons, die eine Entscheidung für das Alphabet als Ordnungsprinzip gleichsam unumgänglich machte. Denn die alphabetische Aufeinanderfolge der Inhalte hat nicht nur anwendungspraktische Gründe, auch wenn Zedler und Ludovici zunächst diesen Aspekt betonen. Gerade weil das alphabetische Ordnungsmuster jede taxonome Systematik negiert, ist sie für ein thematisch derart diversifiziertes Nachschlagewerk, wie es das Universal-Lexicon darstellt, besonders geeignet. Das Alphabet fungiert als neutralisierendes Moment der unvermeidlichen inhaltlichen Divergenzen, es gibt dem Werk einen formalen Rahmen, der es erlaubt, Artikel aus den unterschiedlichsten Wissensfeldern (scheinbar) unverbunden nebeneinander zu stellen. Dass die quasi amorphen Informationsmassen der 68 Lexikonbände sich in der Konsequenz nicht mehr oder nur noch schwer in systematischer Weise aufschlüsseln lassen, hat bereits der Herausgeber Ludovici als Problem erkannt. Darum postuliert er auch in seiner Vorrede zum 21. und 22. Band von 1739:

Allein wir wollen nicht dabey stehen bleiben, daß dieses Werck nur als ein Lexicon könne gebrauchet werden. Wir gedencken durch einen oder höchstens zwey Bände, die nach dem völligen Beschluß desselben sollen geliefert werden, ihm den so höchstwichtigen Vortheil zu verschaffen, daß es auch zugleich einen wahrhafftig systematischen Zusammenbegriff oder Cörper aller Künste und Wissenschafften abgeben könne. [...] Bey dem so grossen Mangel also einer so höchst nöthigen Arbeit [wie der Encycloæpdia Johann Heinrich Alsteds] kan gewiß gegenwärtigem grossen Universal-Lexico keine grössere Pracht gegeben werden, als wenn man den Beschluß desselben mit einer vollständigen und accuraten Encyclopädie machet […]. Solches gehet bey diesem Lexico am allerfüglichsten an, [...] solchemnach man sich nur auf die ausgearbeiteten Artickel beruffen darff [...].9

Ludovici verspricht hier nichts anderes als den Abschluss des Lexikons durch Ergänzungsbände, mit deren Hilfe die in der alphabetischen Ordnung versunkenen Wissensfelder wieder an die Oberfläche geholt werden können. Schreibarbeit würde auf die Redakteure gleichwohl nicht mehr warten. Sie müssten nur die bereits verfassten Artikel miteinander verschalten, die Ordnung des Alphabets aufbrechen und eine Ordnung der einzelnen Wissensfelder restituieren. So weit ist man freilich nie gekommen.

Diese Absichtserklärung ist aber trotzdem nicht ganz uninteressant. Zum einen fällt der Umstand auf, dass sie erst formuliert wurde, nachdem bereits 20 Bände publiziert waren, was darauf hindeutet, dass man zunächst einen durchaus pragmatischen Weg beschritt, der weniger die systematische Ordnung von Wissensfeldern, sondern vielmehr die Auffindbarkeit des Wissens im Blick hatte. Interessant ist Ludovicis Plan aber besonders deswegen, weil hinter ihm der Wunsch durchscheint, dem Leser jenseits des alphabetischen Zugriffs auf das Lexikon auch einen systematischen zu ermöglichen. Denn hierin spiegelt sich die zeitgenössische Reserve kritischer Gelehrter gegenüber lexikalischen Werken, deren Ordnungsmuster rein alphabetischer Natur ist.10 Die Struktur der einzelnen Wissensfelder sei, so die Kritik, in der alphabetischen Ordnung, in der die Artikel eines Lexikons aufeinanderfolgen, nicht mehr zu erkennen, der Bezug der Lexikonartikel aufeinander und ihr Verhältnis zueinander sei nicht mehr klar, das Wissen bleibe dem Leser in seiner Systematik verschlossen, es zerfalle in unverbunden nebeneinanderstehende Wissensatome. Von daher dürfte denn auch die Bezeichnung Lexikon rühren, die man der der Enzyklopädie vorzog. Denn das Universal-Lexicon gehört zunächst einmal nur zu den Wörtern (λεξικός) und nicht zum systematisch strukturierten Kreis der Wissenschaften (ἐγκυκλιος παιδεία).11

Das von Ludovici formulierte Vorhaben zielt somit auf nichts anderes als darauf, das von ihm betreute Lexikon nach dessen Vollendung in eine Enzyklopädie zu verwandeln. Die Stoßrichtung seiner Äußerung reflektiert dabei nicht nur die praktische Benutzbarkeit des ausufernden Foliantenberges, der vermutete Mehrwert für den Leser ist nur ein Aspekt. Sein Wunsch sollte zugleich vor dem Hintergrund eben jener Kritik gelesen werden, die in den zahlreichen Lexika der Zeit nicht etwa Orte für das versammelte Wissen der Welt, sondern allein Sammlungen unzusammenhängender Wissenspartikel sieht. Beispielhaft für eine solche Abwehrhaltung gegenüber der enzyklopädischen Lexikographie steht ein Kommentar zu einem von Janvier de Flainville geplanten Dictionnaire Universel ou Philologie alphabétique in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen von 1741, dessen Idee vom Kritiker kurzerhand als Ungeheuer eines Buchs bezeichnet wird:

Die Raserey vieler Leute in der gelehrten Welt, alle Künste, Wissenschaften und Gelehrsamkeit in Wörterbüchern nach alphabetischer Ordnung abzufassen und fürzutragen, hat noch nicht aufgehöret. In diesem Jahrhundert hat sie sich für andern Zeiten als eine ansteckende Seuche spüren lassen. Es ist fast keine Wissenschaft mehr übrig, so nicht ihr zusammenhangendes System auf eine so unbarmhertzige Art hat müssen zergliedern lassen. […] in den Wissenschaften, wo aus richtigen Grundsätzen, klaren und deutlichen Begriffen alles soll hergeleitet werden, ist es unverantwortlich, selbige in tausend kleine Theile zu zerstücken, daß man nicht fähig ist, ein ganzes daraus zu erkennen.12

Indem der anonyme Kritiker abschließend vermutet, Herr Flainville stamme aus der Gascogne, markiert er dessen Vorhaben zu allem Überfluss auch noch als das eines Aufschneiders. Der entscheidende Punkt seiner Kritik ist allerdings: Die enzyklopädischen Werke der Zeit sind nicht Ordnung, sondern Sammlung von Wissen. Genau diese Dichotomie kann darum als ein Grund dafür ausgemacht werden, dass das Wort Enzyklopädie für das Universal-Lexicon nicht titelgebend wurde. Denn der Enzyklopädiebegriff der Zeit ist vor allem durch das Sem Ordnung bestimmt: Encyclopaedia […]. Ist ein Zusammenbegriff aller Wissenschafften, welche die Alten in eins zusammen brachten, um dadurch die Ordnung, wie sie auf einander folgten, vorzustellen.13 Der Begriffsinhalt begann sich erst mit dem Erscheinen der von Diderot und D’Alembert besorgten französischen Encyclopédie (1751–72) endgültig in Richtung des Sems Sammlung zu verschieben.14 Erstaunlich ist dabei, dass D’Alembert in seinem die Encyclopédie einleitenden Discours préliminaire noch exakt dieselben Funktionen für das von ihm betreute Werk vorsah, wie sie Ludovici bereits zwölf Jahre zuvor für das Universal-Lexicon nach dessen Fertigstellung und Ergänzung um Bände, die die Systematik der in ihnen zu findenden Wissensfelder rekonstruieren, prognostizierte. D’Alembert:

L’Ouvrage dont nous donnons aujourd’hui le premier volume, a deux objets: comme Encyclopédie, il doit exposer autant qu’il est possible, l’ordre & l’enchaînement des connoissances humaines: comme Dictionnaire raisonné des Sciences, des Arts & des Métiers, il doit contenir sur chaque Science & sur chaque Art […] les principes généraux […].15

Für beide, Ludovici und D’Alembert, beschreibt der Begriff Enzyklopädie mithin die Systematik des Wissens, die man sich als eine virtuelle Verschaltung der gesammelten Lemmata in der Ordnung der entsprechenden Wissensfelder vorstellen muss. Für beide verbindet sich mit ihm die Hoffnung, die von ihnen betreuten Werke könnten jenseits einer Sammlung von Wissensfragmenten den Mehrwert einer systematischen Aufschlüsselung ganzer Wissensfelder bieten.

Die Vorstellung, dass die einzige Funktion ihrer Werke die eines Nachschlagewerks sein könnte, dass sie dem Leser bei der Klärung partieller Interessen und nicht bei der systematischen Erfassung eines gesamten Wissensfeldes dienlich sein sollten, hat sich offensichtlich noch nicht durchgesetzt.16 Tatsächlich war das unsystematische, aber gezielte Nachschlagen, allen programmatischen Erklärungen, die die Herausgeber enzyklopädischer Lexika ihren Werken voranstellten, zum Trotz, ihre Hauptfunktion.17 Darauf, dass die Redakteure des Universal-Lexicons dieses Bedürfnis ihrer Leser durchaus wahrgenommen haben, deutet die Tatsache, dass sie die im Lexikon zu findenden Verweislemmata (Lemmata, die selbst keinen Artikel darstellen, sondern auf die entsprechenden Artikel in der alphabetischen Ordnung verweisen), deren Zahl nahezu ebenso groß ist wie die der Artikel selbst, in den späteren Lexikonbänden mit Kurzinformationen anreicherten, damit der Leser, so Zedler, wenn einerley Wörter von verschiedener Bedeutung unter einander stehen, […] nicht allererst alle diese Stellen aufsuchen darf, ehe er das findet, was er suchet.18

Die Art und Weise der Kritik an der zur Mode gewordenen Kompilation von Nachschlagewerken erweist sich darum auch bei genauerem Hinsehen als Resultat eines grundlegenden Missverständnisses: Die irrige Vorstellung, die Folianten eines lexikographischen Werkes sollten komplett durchgearbeitet werden, ist dabei von einer Kritik an der alphabetischen Ordnung nicht zu trennen, was sich in einer Rezension von 1757 wie folgte niederschlägt:

Ein Werk von X Folianten [gemeint ist die französische Encyclopédie] ist wahrhaftig keine Kleinigkeit; und wer Geduld hat diesen Auszug aller Gelehrsamkeit und Künste durchzustudiren, der könnte auch wohl 20, 30, ja 40 andre kleinere Bücher gelesen und gebrauchet haben. Sodann ist ein Wörterbuch, darinn alles vermenget, und nichts im Zusammenhange steht, ein sehr schlechtes Mittel sich von dem Inhalte einzelner Theile der Wissenschaften einen Begriff zu machen. Es ist bald so, als wenn ein Zergliederer nach einem fricassirten Huhne, die Anatomie desselben studiren wollte.19
Stemma von 1728 aus Chambers’ »Cyclopædia«
Abb. 2: Stemma von 1728, in dem Ephraim Chambers the Division of Know­ledge darstellt, um die in seiner Cyclo­pædia enthaltenen Wissensfelder vor Augen zu führen. (Quelle)

Zwischen den Zeilen dieser Kritik wird der Wunsch sichtbar, die zeitgenössischen Monumental­lexika möchten doch mehr sein als bloße Nachschlagewerke. Die bereits erwähnte Idee Ludovicis, diesem Wunsch nachzukommen, ist in der Geschichte der Lexikographie darum auch keineswegs originär. Das Ziel, Informationen in großer Menge zu sammeln und sie zugleich als einer systematischen Ordnung zugehörig zu markieren, hat nicht nur Tradition, sondern auch ein Vorbild: Schon Ephraim Chambers sah die zwei Folianten seiner Cyclopædia: or, an Universal Dictionary of Arts and Sciences (1728)20 nicht nur als Instrument zum raschen Nachschlagen oder als Erinnerungsstütze für Gelehrte. Bereits auf dem Titelblatt seines zwei Folianten umfassenden Lexikons wird der Anspruch erhoben, mehr als das zu sein: The Whole intended as a Course of Antient and Modern LEARNING, heißt es dort unter anderem. Im Vorwort unterstreicht Chambers dann die Absicht seines Werks erneut dadurch, dass er ein Stemma einfügt, das die Struktur der verschiedenen Wissensfelder, die in der Cyclopædia zu finden sind, ebenso wie ihre Relationen aufschlüsseln soll. Aus der dichotomischen Zerlegung des gesamten Wissens (KNOWLEDGE) werden dort 47 Felder herauspräpariert, deren jeweiliger Inhalt in Fußnoten, die insgesamt dreieinhalb (in späteren Auflagen sogar viereinhalb) zweispaltige Folioseiten umfassen, bis ins kleinste Detail21 vorgeführt werden.

Und trotzdem: Die Ordnung, in der die Artikel im Lexikon stehen, folgt nicht der der Wissensfelder, denen sie zugehörig sind, sondern der des Alphabets. Will der Leser ein Wissensfeld in Gänze erschließen, muss er sich die Mühe machen, es selbständig zu rekonstruieren. Das Hilfsmittel, das Chambers ihm für diese Arbeit an die Hand gibt, ist der Verweis:

THIS we endeavoured to attain, by considering the several Matters not only absolutely and independently, as to what they are in themselves; but also relatively, or as they respect each other. They are both treated as so many Wholes, and as so many Parts of some greater Whole; their Connexion with which, is pointed out by a Reference. So that by a Course of References, from Generals to Particulars; from Premises to Conclusions; from Cause to Effect; and vice versa, i. e. in one word, from more to less complex, and from less to more: A Communication is opened between the several Parts of the Work; and the several Articles are in some measure replaced in their natural Order of Science, out of which the Technical or Alphabetical one had remov’d them.22

Seine Zweifel, dass eine Restituierung der aufgrund der alphabetischen Ordnung nicht mehr als Einheit sichtbaren Wissensfelder so vonstattengehen könne, kann und will Chambers jedoch nicht verbergen. Ein derartiges Vorhaben sei wohl nur in some measure möglich, was ihm jedoch keine schlaflosen Nächte bereitet haben dürfte. Denn letztlich war er davon überzeugt, dass allein die alphabetische Ordnung einen adäquaten Rahmen bietet, die Inhalte aller Wissensfelder gemeinsam, in einem Buch zu vereinen. Eine Rekomposition des auf theoretischen Überlegungen fußenden Beziehungsgeflechts der einzelnen Artikel sei kaum mehr als künstlich und eingebildet (merely artificial and imaginary),23 in späteren Auflagen heißt es ergänzend: and the work of imagination.24

In der Cyclopædia wird das Verweissystem somit ebenso wie im Universal-Lexicon primär als Hilfsinstrument zum Auffinden von Lexikonartikeln verwendet. Es erfüllt vornehmlich eine praktische Funktion: Der Verweis markiert den Beginn eines Pfades, der den Leser zu sachlich verwandten Wissensatomen führt, was ihm ermöglicht bei der Lektüre nach und nach die molekularen Strukturen eines ganzen Wissensfeldes zu rekonstruieren. So weit muss er aber nicht gehen, er kann seinen Weg jederzeit abbrechen und an anderer Stelle fortsetzen. Die programmatischen Beschwichtigungen, der Verweis könne dazu beitragen, eine natürliche Systematik wiederherzustellen, scheint vor diesem Hintergrund kaum mehr als ein Kotau vor der Kritik.

Von der Funktionalität des Verweises in der lexikographischen Realität ist es im Übrigen nur noch ein Schritt zu seiner Zweckentfremdung, die keiner der bisherigen Hauptfunktionen (Finden und Ordnen) subsumiert werden kann. Denn kreativ gewendet verwandelt sich die Funktion dieser lexikographischen Technik in einen wertenden Kommentar, wie es im Artikel ANTHROPOPHAGES (Menschenfresser) in der französischen Encyclopédie zu beobachten ist: Über diese Leute, qui vivent de chair humaine (die von Menschenfleisch leben), erfahre man Genaueres in den Artikeln Eucharistie, Communion, Autel (Eucharistie, Abendmahl, Altar) – eine offene Verhöhnung der katholischen Lehre von der Transsubstantiation und eine naheliegende Assoziation, beschuldigten die Heiden doch die ersten Christen des Kannibalismus.25 Insofern gehorchen selbst diese Verweise in gewissem Grade der ihnen von D’Alembert zugeschriebenen Funktion im Lexikon, car les renvois dans ce Dictionnaire ont cela de particulier, qu’ils servent principalement à indiquer la liaison des matieres.26

Die Entscheidung für die alphabetische Ordnung, die Reflexion der daraus resultierenden Konsequenzen und die vorwegnehmende Beruhigung der Kritiker lässt das Universal-Lexicon ebenso wie andere Lexika der Zeit als Marker einer kulturgeschichtlichen Wende erscheinen, deren Ergebnis ausgesprochen moderne Züge trägt. Denn der primäre Verzicht auf die Systematisierung des Wissens nach inhaltlichen Gesichtspunkten – eine direkte Konsequenz der Entscheidung für die alphabetische Ordnung – reflektiert einerseits die Tatsache, dass das faktische Wissen derart angewachsen ist, dass es nunmehr ganz und gar unmöglich scheint, es überhaupt noch in einer Art Metasystematik aufzuheben.27 Dieser Umstand korrespondiert wiederum mit der zeitgenössischen Wahrnehmung, dass das Wissen für einen allein nicht mehr in Gänze fassbar ist: Die Gedächtnis-Gelehrten, […] kommen gantz aus der Mode.28 Aus diesem Grund reflektiert der Jurist Johann Peter von Ludewig in seiner programmatischen Vorrede über das Universal-Lexicon auch die Unmöglichkeit des Einzelnen, überhaupt noch in allen Wissensfeldern einen gleich tiefen Einblick zu erlangen, und begründet damit die Entscheidung, das Verfassen der Lexikonartikel Fachleuten, den oft zitierten neunerley gelehrte[n] Leute[n] nach der Anzahl der IX. Musen,29 für den jeweiligen Wissensbereich übertragen zu haben:

Ein gelehrter Mann muß zwar alles überhaupt wissen/ […] nur ein anders ist es/ einen Begriff von allem zu haben; wieder ein anders/ in allem Meister zu seyn/ und wieder ein anders/ hinlängliche Zeit zu haben/ allem allein abzuwarten.30

Das Universal-Lexicon könne gerade deswegen niemanden zum Universalgelehrten bilden, weil es diese im Grunde nicht mehr geben kann, denn in allem Meister zu seyn sei schlechterdinges unmöglich.31

Andererseits ist der primäre Verzicht auf die Systematisierung des im Lexikon aufgegangenen Wissens Ausdruck für eine Verbreiterung des Adressatenkreises32 und der sich allmählich verändernden Lesegewohnheiten, die damit einhergingen:33 Wissen wird in immer größerem Umfang konsultiert und in immer geringerem in seinen komplexen Bezügen studiert. Darum muss man wohl sagen: Der Wunsch, das Universal-Lexicon mit einer Enzyklopädie abzurunden, wurde zwar im 18. Jahrhundert formuliert, stammt aber aus einer anderen Zeit. Er ist anachronistisch. Ein Zeichen der Zeit ist es hingegen, dass dieses Vorhaben für das Universal-Lexicon nicht mehr verwirklicht werden konnte. Tatsächlich hätten sich die Redakteure, die sich an diese im ursprünglichen Sinne enzyklopädische Arbeit gemacht hätten, mit der Tatsache konfrontiert gesehen, dass für große Teile des Werks eine Systematisierung schon aus inhaltlichen Gründen gar nicht denkbar ist. Denn das Universal-Lexicon enthält einen immensen Anteil an historischem Wissen (über 192 000 Artikel), das vor allem in der Form von biographischen und geographischen (Stadt-/Land-/Fluss-)Artikeln vorliegt.34 Eine vollständige, systematische Erfassung dieses Wissensfeldes ist schlichtweg undenkbar, weswegen bereits Louis Moréri in seinem Dictionnaire Historique (zuerst 1674, zuletzt 1759) und Johann Jacob Hofmann in seinem Lexicon Universale (1677), wo ebenfalls Orte und Personen in großer Zahl aufgenommen wurden, den Anspruch, zugleich das Schema einer Wissensordnung vorzulegen, gar nicht erst erhoben.

Die Hoffnungen der enzyklopädischen Lexikographen des 18. Jahrhunderts wurden, obwohl sie offensichtlich nicht mehr einzulösen waren, trotzdem wieder aufgegriffen. Denn noch im 19. Jahrhundert unternahm man mit der Encyclopædia Metropolitana: or, System of Universal Knowledge (1817–45) erneut den Versuch, die einander offenbar ausschließenden Prinzipien Ordnung und Sammlung von Wissen in einem monumentalen Nachschlagewerk miteinander zu versöhnen. Die im Wesentlichen systematisch aufgebaute Enzyklopädie ist allerdings kommerziell gescheitert – und das wohl auch aufgrund der längst überholten Orientierung an einer systematischen Gliederung des allgemeinen Wissens,35 die dem sich verbreiternden Feld des lesenden Publikums, das das Bedürfnis nach knapper, rascher Information hatte, nicht mehr zu vermitteln war. Darüber hinaus trug die Encyclopædia Metropolitana durchaus unpraktische Züge. So zeigte sich, dass das Prinzip, Personen chronologisch zu ordnen, für eine bequeme Benutzbarkeit weitgehend ungeeignet war. Principle was thus sacrificed, no less than convenience, urteilte ein Zeitgenosse.36 Die Hoffnung, das säkular angewachsene Wissen der Neuzeit einer Systematik zu unterstellen, die alle Wissensfelder zu erfassen vermöge, entpuppte sich letztlich als nicht lebensfähige Chimäre.

Das Problem des Findens37

Die praktischen Probleme beim Zugriff auf Zedlers Universal-Lexicon38 lassen sich nicht allein aus der Menge an Informationen, die sich nicht mehr einheitlich systematisieren ließen, ableiten. Die alphabetische Ordnung an sich trägt bereits wesentlich zu den Schwierigkeiten bei, denen man sich auch heute noch gegenübersieht. Denn die Lemmawahl orientierte sich keineswegs durchgehend an sachlichen Gesichtspunkten, sondern ist oftmals den Produktionsbedingungen oder -umständen geschuldet:

1) Bei der Benutzung des Lexikons muss mit einer ungewohnten Zerlegung oder Benennung der Lemmata gerechnet werden. Ein Beispiel: Die Suche nach der philosophischen Erläuterung dafür, was ein Grundsatz sei, gestaltet sich aufgrund einer ungewöhnlichen Zerlegung des Lemmas schwierig. In Band 11, unter dem Buchstaben G, findet sich zwar das Lemma Grund-Satz, doch verweist dieses nur auf Principium. Unter PRINCIPIVM wiederum steht sowohl ein kurzer Artikel zu einer römisch-antiken Institution als auch ein Verweis, der das Lemma Anfang in Band 2 referenziert. Dieser Artikel ist jedoch theologischer Natur. Das eigentliche Ziel hätte man über Band 34 erreicht. Dort findet sich der Eintrag Satz (Grund-), bei dem es sich zwar um einen mathematischen Artikel handelt, doch verweist dieser auch auf Axioma in Band 2, in dem die gesuchte Erklärung zu finden ist.39 Das Beispiel zeigt zum einen, dass die Glieder vieler Komposita noch nicht so fest miteinander verknüpft waren, wie es heute der Fall ist.40 Darüber hinaus waren sich die Redakteure offenbar nicht immer sicher, welches der Glieder als bedeutungstragend einzustufen sei. Nur locker gefügte Komposita wurden, wenn der letzte Bestandteil höher gewichtet wurde, zerlegt und konsequenterweise an Stellen im Alphabet eingerückt, die wohl nicht nur heutigen Benutzern ungewohnt erscheinen.

2) Einige Schwierigkeiten resultieren auch aus der Tatsache, dass die Schreiber der Artikel Dialektsprecher waren und es noch immer an einer durch und durch normierten deutschen Standardsprache fehlte. (Man erinnere sich nur daran, dass auch Goethes Dichtungen die hessische Herkunft des Autors offenbaren, wenn er bspw. neige auf Schmerzenreiche reimt.) Die regional geprägte Sprache der Artikelschreiber des Universal-Lexicons produziert darum nicht nur Stilblüten wie die Definition von Brumm-Ochs, der kurzerhand als der Kuh ihr Mann bestimmt wurde;41 sie schlägt sich auch in der Verschriftlichung und folgerichtig in der Anordnung der Lemmata nieder. Einen Artikel oder Verweis mit dem Namen Bursche wird man in Band 4 aus genau diesem Grund vergeblich suchen. Fündig wird man hingegen in Band 29, wo es die Lemmata Pursch und Pursche gibt. Auf die konsequente Behandlung solcher Buchstaben- und Lautvarianzen ist jedoch kein Verlass. So gibt es in Band 3 das Lemma Bausch und Bogen und in Band 26 zusätzlich das Lemma Pausch und Bogen, die inhaltlich beide dasselbe Themenfeld berühren. Varianzen dieser Art erklären auch, warum sich in Band 11 unter Gutsche ein Verweis auf das Lemma Kutsche oder Gutsche in Band 15 befindet. Offenbar wurde von den Redakteuren die Wortform Kutsche eher als jenem reinen Deutsch zugehörig empfunden, das man in den Vorworten immer wieder beschwor.42 In diesem Fall bedachte man jedoch zusätzlich, dass sich nicht alle Leser zeitlich daran gewehnen [!] würden, dass man dem Schriftgebrauch der Preußischen und Chur-Sächsischen Cantzeleyen vornemlich den Vorzug43 gab, und half ihnen mit einem Verweis weiter.

3) Die mitunter starke Streuung der Informationen über das Alphabet belegt, wie bedeutend eine systematische Gliederung, wie sie Ludovici andachte, nach Abschluss des Lexikons gewesen wäre. Denn ohne diese sind alle Informationen zu einem Thema nur schwer zu finden. So verteilen sich zum Beispiel die Artikel, die sich mit Stieren oder Ochsen beschäftigen, über zahlreiche Bände: Brumm-Ochs, Brümmer, Stier in Band 4, Farren oder Ochsen in Band 9, Gemein-Ochse oder Gemein-Rind in Band 10, Joch-Ochsen in Band 14, Stier in Band 40, Wütende Stier in Band 59. Der größte und ausführlichste Artikel befindet sich aber in Band 25: Ochse, Rind. Bemerkenswert ist, dass er nicht alle Informationen der anderen, recht kurzen Artikel enthält, es aber trotzdem zu inhaltlichen Überlagerungen kommt.

Die Gründe für derart starke Streuungen lassen sich heute nicht mehr genau ausmachen. Vielleicht sind sie Folge der Verteilung thematischer Zuständigkeiten an verschiedene Redakteure, die den Blick auf das große Ganze natürlich erschwerten, vielleicht aber auch Folge der großen Geschwindigkeit, mit der man das Lexikon produzierte, erschienen doch in manchen Jahren vier Foliobände, von denen jeder über 2000 Spalten lang sein konnte. Vielleicht sind die Streuungen aber auch aus organisatorischen Schwierigkeiten zu erklären, die zum Beispiel darin bestanden, dass die Bände anfangs nicht in Leipzig, Zedlers Verlagsort, sondern in Delitzsch und Halle gedruckt werden mussten. Ein Grund besteht auf jeden Fall darin, dass Artikel verfasst wurden, die es eigentlich nie geben sollte. Ihre Inhalte wurden als derart wichtig eingestuft, dass man sie nicht bis zum Erscheinen der bereits früh geplanten Supplemente aufsparen wollte. Ging man mit der Vergabe der Lemmata kreativ genug um, wurde es möglich, vergessene oder verspätet eingetroffene Informationen in Bänden, die man aktuell bearbeitete, einzurücken.44

Ein schönes Beispiel hierfür stellt der Artikel Farbe, (blaue) in Band 9 dar. Er beginnt mit einer Rechtfertigung: Die Farbe Blau sei zwar bereits in mehreren Artikeln behandelt worden, doch seien hierzu Ergänzungen nötig, weil des Brüßler-Blau und der neu erfundenen blauen Farbe D. Jo. Friedrich Henckels nicht gedacht worden45. Über die gleich am Anfang des Artikels stehenden Verweise wird versucht, den Artikel gleichsam an den rechten Platz zu rücken. Bezeichnend an diesem Beispiel ist, dass in Verweisen, die in später erschienen Bänden folgen, der Artikel Farbe, (blaue) nicht mehr erwähnt wird. In Preußisch-Blau46 wird nur auf Berliner-Blau verwiesen, in Blau (Berg-) in den Supplementen47 nur auf Bergblau und Blaue Farbe. Die Existenz des nachgeschobenen Artikels in Band 9 wurde offensichtlich vergessen, denn es existieren keine weiteren Artikel, die dasselbe Bezeichnungsmuster verwenden (z. B. Farbe, (grüne)).

Die Gründe für das nachträgliche Einrücken von Lemmata wie Farbe, (blaue) scheinen allerdings nicht immer allein auf das verspätete Eintreffen von als wichtig eingestuften Informationen zurückzugehen. Eventuell spielten in diesem konkreten Fall auch ökonomische Gesichtspunkte eine Rolle. 1733 erwarb Zedler die Verlagsbuchhandlung des 1730 verstorbenen Johann Herbord Kloß. Sein Kauf beinhaltete nicht nur ein großes Sortiment an Büchern, sondern auch Privilegien, die Kloß zuvor erworben hatte. Darunter die zwischen 1717 und 1726 erschienene Zeitschrift Sammlung Von Natur- und Medicin- Wie auch hierzu gehörigen Kunst- und Literatur-Geschichten (kurz Breßlauer-Sammlungen), die Zedler zügig neu auflegte. Die Existenz des Artikels Farbe, (blaue) könnte darauf zurückgehen, dass Zedler, nachdem er die Verwertungsrechte erworben hatte, einen seiner Redakteure anwies, Zeitschriftenartikel in Lexikonartikel umzuarbeiten. Dies brachte selbstredend den ökonomischen Vorteil mit sich, mit nur einem Kauf zwei Verlagsprodukte bedienen zu können. Der Artikel Farbe, (blaue) besteht zumindest fast vollständig aus zwei Artikeln, die aus den Breßlauer-Sammlungen stammen.48 Es ist ein Leichtes, viele weitere Artikel ausfindig zu machen, die komplett oder gekürzt aus der Zeitschrift übernommen wurden.

Bemerkenswert ist an diesem Beispiel, dass die Herkunft der Zitate ausführlich angegeben wurde und das lange Zitat durch vom Redakteur eingeschobene inquit-Formeln (schreibet der Auctor, fähret der Auctor fort) zweimal unterbrochen wird, gleichsam als wolle man den Leser an den Textmodus erinnern, in dem er sich befindet. Bei Zitaten aus den Breßlauer-Sammlungen werden diese in aller Regel korrekt nachgewiesen, in vielen Artikeln fehlen jedoch Quellenangaben, auch wenn wörtlich zitiert wird. So zum Beispiel im Artikel Frauenzimmer49, der nahezu komplett aus dem bei Gleditsch verlegten Frauenzimmer-Lexicon stammt.50 Das Fehlen von Quellenangaben in abgeschriebenen Artikeln geht unter anderem darauf zurück, dass Zedler von Anfang an mit Plagiatsvorwürfen anderer, ebenfalls in Leipzig ansässiger Verleger zu kämpfen hatte,51 die den Absatz ihrer eigenen Produkte gefährdet sahen. Aus ihren nicht unbegründeten Vorwürfen folgte unter anderem, dass Zedler den Druck des Lexikons ins preußische Ausland, nach Halle, verlagern musste.52 Diese Vorwürfe könnten auch der Grund für eine weitere Schwierigkeit beim Zugriff auf das Lexikon gewesen sein.

4) Einige Lemmata wurden anscheinend nur deshalb gewählt, weil man die Herkunft des plagiierten Artikels zu verschleiern suchte. So geht der Artikel Staats-Wissenschafft, Staats-Lehre53 auf den Artikel Staats-Lehre54 aus dem im Leipziger Verlagshaus Gleditsch erschienenen Philosophischen Lexicon von Johann Georg Walch zurück. Der Artikel ist komplett übernommen worden, eine Literaturangabe fehlt. Zwar stammt eine Vielzahl an Artikeln aus dieser Quelle, allerdings lässt sich nicht sagen, dass die Redakteure des Universal-Lexicons systematisch versucht hätten, ihre Herkunft dadurch zu camouflieren, dass sie die Lemmata umbenannten. Es gibt sogar mindestens einen Artikel, aus dem eine lange Passage wortwörtlich übernommen und die Herkunft des Zitats angegeben wurde.55 Häufig zu beobachten ist allerdings, dass man die kopierten Artikel mit zahlreichen Synonymen versah und zusätzlich den Artikelanfang modifizierte. Daneben finden sich aber auch Artikel, die ohne Änderungen eins zu eins übertragen wurden.56

5) Eine letzte Zugriffsschwierigkeit, die ebenfalls aus der Lemmawahl resultiert, hat ihren Ursprung in der Disparität der verwendeten Quellen. So wurde das Universal-Lexicon zwar einerseits aus fremden Lexika kompiliert, die bereits selbst alphabetisch strukturiert waren, deren Ordnungsmuster man somit einfach nur zu übernehmen brauchte. Andererseits wurden Artikel auch aus Zeitschriftenaufsätzen erstellt, die einem ganz anderen Darstellungs- und Ordnungsprinzip folgten und erst einem einzigen Schlagwort untergeordnet werden mussten. So ist der Artikel Von des Hr. Hoffrath Wolffs in Halle neuer Entdeckung der wahren Ursache von Vermehrung des Getraydes aus den Breßlauer-Sammlungen57 komplett im Artikel Korn-Vermehrung58 aufgegangen. Worin hier das Problem besteht, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in diesem Fall genauso gut die Lemmata Getrayde-Vermehrung oder Ursache der Getrayde-Vermehrung hätten gewählt werden können. Dies hätte natürlich zur Folge gehabt, dass der Artikel in einem ganz anderen Lexikonband erschienen wäre.

Eine digitale Lösung?

Zedlers Universal-Lexicon ist, gerade weil so viele zeitgenössische Lexika von ihm gleichsam absorbiert wurden,59 eine ausgezeichnete Quelle zur Erforschung des 18. Jahrhunderts. Die praktischen Zugriffsschwierigkeiten (vgl. Das Problem des Findens) bestehen zum Teil noch heute fort. Die Digitalisierung des Lexikons und die (qualitativ schwankende) Volltexterschließung der Lemmata durch die Bayerische Staatsbibliothek sowie der Versuch einer vollständigen kategorialen Erschließung durch die Herzog August Bibliothek, die seit 2006 eine Suche über 72 verschiedene Sachfelder ermöglicht, beheben bereits einige der dargestellten Probleme. Das Ergebnis dieser Anstrengungen belegt aber auch, dass man selbst mit modernen digitalen Verfahren die immense Artikelmasse immer noch nicht zu zwingen wusste. Der Traum Ludovicis, das Universal-Lexicon in eine Enzyklopädie zu verwandeln, darf vorerst weitergeträumt werden. Denn angesichts kategorialer Gruppen wie jener fast 75 000 Personen, die bisher noch nicht genauer bestimmt wurden, kann bestenfalls von einem guten Anfang gesprochen werden, der bei der Erschließung von Zedlers Universal-Lexicon gemacht wurde. Andererseits eröffnen die Ergebnisse erstmals einen statistisch validen Blick auf die zuvor nur tentativ zu bestimmenden Stoffmassen und erlauben zumindest bei kleineren, noch in Gänze handhabbaren Kategorien (wie Islam) einen gezielten Zugriff auf das über das Alphabet verstreute Wissen, der zuvor nicht gegeben war.

Und dennoch: Angesichts des Befundes, dass derart umfangreiche Artikelgruppen bisher nicht genauer ausdifferenziert wurden, und angesichts der oben dargestellten inhärenten, unhintergehbaren Probleme auf der Ebene der Artikel selbst, die sich nicht zuletzt aus der uneinheitlichen Kompilationsmethode des Lexikons ergeben, scheint der einzig vielversprechende Weg, dem Universal-Lexicon beizukommen, in einer kompletten Volltexterschließung zu liegen. Dabei könnte man zugleich die immer noch allzu stark an frühneuzeitlichem (Wunsch-)Denken orientierte Idee einer Kategorisierung, sprich: die eineindeutige Zuordnung der Artikel zu einzelnen Sachbereichen, Wissensfeldern oder Disziplinen, aufgeben und die unrettbare Zersplitterung des Wissens im Lexikon endgültig anerkennen. Dafür gäbe es gute Gründe. Denn das Konzept einer Kategorisierung suggeriert klar voneinander geschiedene Wissensfelder, die einer vorgegebenen, natürlichen, stabilen Ordnung folgen und wenn überhaupt dann nur sporadisch miteinander in Kommunikation treten. Das Konzept suggeriert somit vor allem eins: Geschlossenheit. Ein abgezirkeltes Feld lässt sich natürlich in Gänze kategorial erschließen. Die konzeptionellen Probleme, denen sich schon die Lexikonmacher des 18. Jahrhunderts gegenübersahen (vgl. Das Alphabet als Ordnungsprinzip), belegen gleichwohl, dass Geschlossenheit und Übersichtlichkeit des Wissens schon damals nicht mehr gegeben waren. In den programmatischen Vorworten feiert die Orientierung an abgezirkelten Wissensfeldern zwar noch fröhliche Urständ, in der lexikographischen Praxis steht hingegen die am Alphabet im Vordergrund.60 Weil das Wissen in Gänze nicht mehr zu erfassen war, scheiterten die Redakteure des Universal-Lexicons nicht von ungefähr daran, auch nur die zur Verfügung stehenden Informationen vollständig und auffindbar in das Lexikon zu integrieren – ein Umstand, der durch das jähe Abbrechen der Supplementbände eindrücklich belegt wird.

Wie dem auch sei. Eine vollständige Tiefenerschließung der immensen Stoffmasse des Universal-Lexicons, die jenseits einer kategorialen Erschließung auch die mitunter explizit genannten Quellen erfasste, sowie die Feststellung der im Wesentlichen unbekannten Autoren ist und bleibt Desiderat.

Bildnachweis

Abb. 1: Titelblatt aus Johann Heinrich Zedler (Verl.): Grosses vollständiges UNIVERSAL LEXICON Aller Wissenschafften und Künste, Bd. 1, Halle/Leipzig 1732. (Originalbild)

Abb. 2: Stemma aus Ephraim Chambers: Cyclopædia: or, an Universal Dictionary of Arts and Sciences, Bd. 1, London 1728, S. II. (Originalbild)

Anmerkungen

1 Entgegen früherer Annahmen betätigte sich Zedler (1706–1751) schon als Verlagsbuchhändler, als er noch im sächsischen Freiberg (in der Nähe Dresdens) lebte. Bevor er dort 1726 sein erstes eigenes Geschäft eröffnete, absolvierte er in seiner Geburtsstadt Breslau eine Buchhändlerlehre und arbeitete in einer Hamburger Buchhandlung. Vgl. zu Zedlers Biographie Nico Dorn: Art. Zedler, Johann Heinrich, in: Deutsche biographische Enzyklopädie, Bd. 10 (2008), S. 807 u. bes. Gerd Quedenbaum: Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler 1706–1751. Ein Buchunternehmer in den Zwängen seiner Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Buchhandels im 18. Jahrhundert, Hildesheim/New York 1977. S. ferner den durchaus lesenswerten Wikipedia-Artikel.

2 Johann Heinrich Zedler (Verl.): Grosses vollständiges UNIVERSAL LEXICON Aller Wissenschafften und Künste, 64 Bde., Halle/Leipzig 1732–50, 4 Suppl. Leipzig 1751–54; Digitalisat der BSB.

3 Johann Heinrich Zedler: Nöthiger Vorbericht zu dem XIXten und den folgenden Theilen dieses Grossen Universal-Lexicons, in: Bd., XIX, Bl. )( 1 r – )()( 2 v, hier )( 1 r.

4 Der Hallenser Jura-Professor und Universitätskanzler Johann Peter von Ludewig, der auch das Vorwort zum ersten Band verfasste (vgl. Anm. 30), nannte in einer Vorankündigung des Universal-Lexicons von 1731 in den Wöchentlichen Hallischen Anzeigen bereits zweiundzwanzig Themenfelder; vgl. Quedenbaum: Johann Heinrich Zedler (wie Anm. 1), S. 57 f.

5 Zedler (wie Anm. 2), Suppl. IV, Sp. 1448.

6 Zedler: Nöthiger Vorbericht (wie Anm. 3), Bl. )( 1 r.

7 Carl Günther Ludovici: Vorrede zu dem XIX. und XX. Bande dieses grossen Universal-Lexicons, in: Zedler (wie Anm. 2), XIX, S. 1–12, hier 3.

8 Vgl. z. B. Horst Dreitzel: Zedlers Großes vollständiges Universallexikon, in: Das achtzehnte Jahrhundert 18 (1994), S. 117–124, hier 117 f.

9 Carl Günther Ludovici: Vorrede zu dem XXI. und XXII. Bande dieses grossen Universal-Lexicons, in: Zedler (wie Anm. 2), XXI, Bl. )( 5 r – Bl. )( 6 v, hier )( 5 r u. )( 6 r.

10 Vgl. Martin Fontius: Stellen wir die richtigen Fragen zur Enzyklopädiegeschichte? Bemerkungen zu den Forschungen von Frank A. Kafker, in: Das achtzehnte Jahrhundert 22 (1998), S. 139–145, hier 142; Bernhard Kossmann: Deutsche Universallexika des 18. Jahrhunderts. Ihr Wesen und ihr Informationswert, dargestellt am Beispiel der Werke von Jablonski und Zedler, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 9 (1969), Sp. 1553–1596, hier 1582; Paul Michel: Nihil scire felicissima vita. Wissens- und Enzyklopädiekritik in der Vormoderne, in: Wissenssicherung, Wissensordnung und Wissensverarbeitung. Das europäische Modell der Enzyklopädien, hrsg. v. Theo Stammen u. Wolfgang E. J. Weber, Berlin 2004, S. 247–289.

11 Vgl. zur historischen Begriffsentwicklung von Enzyklopädie Ulrich Dierse: Enzyklopädie. Zur Geschichte eines philosophischen und wissenschaftstheoretischen Begriffs, Bonn 1977, hier bes. S. 4–8.

12 Göttingische Zeitungen von Gelehrten Sachen (1741), S. 153 f. Auf die Passage verwies bereits Peter-Eckhard Knabe: Die Rezeption der französischen Aufklärung in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen (1739–1779), Frankfurt a. M. 1978, S. 175. Eine analoge Kritik kann man bereits im 17. Jhr. bei Johann Amos Comenius lesen, der gewisse Werke, die sich als Enzyklopädie bezeichnen, als bloße Aneinanderreihungen von unzusammenhängenden Gegenständen kritisiert; vgl. Dierse: Enzyklopädie (wie Anm. 11), S. 21.

13 Art. Encyclopaedia, in: Zedler (wie Anm. 2), VIII, Sp. 1138.

14 Um 1800 finden sich immer noch Schemata, die das encyclopädische Lehrgebäude (Ordnung) von den encyclopädische[n] Wörterbücher[n] (Sammlung) unterscheiden; vgl. Kossmann: Deutsche Universallexika des 18. Jahrhunderts (wie Anm. 10), Sp. 1556. Auf eine vergleichbare Enzyklopädiekritik stößt man darum das ganze 19. Jahrhundert über; vgl. Jürgen Mittelstraß: Vom Nutzen der Enzyklopädie, in: Meyers enzyklopädisches Lexikon, Bd. 1, Mannheim 1971, S. IX–XIX, hier XVI. S. zur Begriffsentwicklung auch Utz Haltern: Politische Bildung und Bürgerlicher Liberalismus. Zur Rolle des Konversationslexikons in Deutschland, in: Historische Zeitschrift 223 (1976), S. 61–97, hier 66 f. u. 71; zur Rezeption der Encyclopédie in Deutschland Roland Mortier: Diderot in Deutschland 1750–1850, Stuttgart 1967, S. 124 f.

15 Jean le Rond D’Alembert: Discours préliminaire, in: L’Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, Bd. 1 (1751), S. I–XLV, hier I; Digitalisat in Wikisource. Das Werk, das wir begonnen haben und zu Ende zu führen wünschen, hat einen doppelten Zweck: Als Enzyklopädie soll es, soweit möglich, die Ordnung und Verkettung der menschlichen Kenntnisse erklären; und als methodisches Sachwörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe soll es von jeder Wissenschaft und jeder Kunst […] die allgemeinen Grundsätze enthalten […]. Übersetzung zit. n. Jean le Rond D’Alembert: Einleitung in die französische Enzyklopädie von 1751 (Discours préliminaire), 1. Teil: Text, hrsg. v. Eugen Hirschberg, Leipzig 1912, S. 2. Einen ausführlicheren Überblick über die Bestimmungen im Discours préliminaire und die Anlage der Encyclopédie geben Dierse: Enzyklopädie (wie Anm. 11), S. 52–58 u. Ulrich Johannes Schneider: Die Erfindung des allgemeinen Wissens. Enzyklopädisches Schreiben im Zeitalter der Aufklärung, Berlin 2013, S. 53–67, der darüber hinaus bereichernde Einblicke in die Redaktionspraxis gibt.

16 Vgl. Mittelstraß (wie Anm. 14), S. X.

17 So argumentierte schon Walch in der Vorrede zu seinem Philosophischen Lexikon von 1726 (s. Anm. 54); vgl. Kossmann: Deutsche Universallexika des 18. Jahrhunderts (wie Anm. 10), Sp. 1582.

18 Zedler: Nöthiger Vorbericht (wie Anm. 3), Bl. )( 2 v.

19 N. N.: Jo. Matthiæ Gesneri Primæ lineæ […], in: Das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit 7 (1757), S. 218–222, hier 219.

20 Ephraim Chambers: Cyclopædia: or, an Universal Dictionary of Arts and Sciences, 2 Bde., London 1728. Vgl. zur Cyclopædia Schneider: Erfindung des allgemeinen Wissens (wie Anm. 15), S. 49–53.

21 Dem Feld ARCHITECTURE werden nicht nur House, Temple, Church, Hall usw. untergeordnet, sondern zum Beispiel auch Beam, Rafter, Mortar, Nail, Hinge, Key, Lock; vgl. die Listen im PREFACE von Chambers: Cyclopædia (wie Anm. 20), I, S. I–XXX, hier III–VI, zur Architektur VI.

22 Bd., I, S. I.

23 Bd., I, S. II.

24 Ephraim Chambers: Cyclopædia: or, an Universal Dictionary of Arts and Sciences, 2 Bde., 5. Aufl., London 1741, I, S. II.

25 Edme-François Mallet: Art. ANTHROPOPHAGES, in: L’Encyclopédie (wie Anm. 15), S. 498; Digitalisat in Wikisource.

26 D’Alembert: Discours préliminaire (wie Anm. 15), S. XVIII. Denn die Verweise in diesem Lexikon sind dahingehend besonders, dass sie vornehmlich dazu dienen, auf den Zusammenhang der Sachthemen hinzuweisen.

27 So z. B. D’Alemberts Discours préliminaire (wie Anm. 15), S. I. Vgl. auch Detlef Döring: Leipzig als Produktionsort enzyklopädischer Literatur bis 1750, in: Seine Welt wissen. Enzyklopädien in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Ulrich Johannes Schneider, Darmstadt 2006, S. 125–134, hier 125 f. u. Peter Burke: Papier und Marktgeschrei: Die Geburt der Wissensgesellschaft, übers. v. Matthias Wolf, Berlin 2000, S. 131 f., der die Entscheidung für die alphabetische Ordnung enzyklopädischer Werke als ein Symptom der säkularen Zunahme von Wissen deutet, das schneller anwachse, als es systematisiert werden könne. Keine originäre Idee, wird es doch in genau dieser Weise schon Mitte des 18. Jhs. von Johann Georg Sulzer formuliert; vgl. Dierse: Enzyklopädie (wie Anm. 11), S. 39 f.

28 Ludovici: Vorrede (wie Anm. 7), S. 1.

29 Johann Peter von Ludewig: Vorrede über das Universal-Lexicon, in: Zedler (wie Anm. 2), I, S. 1–16, hier § 14, S. 6. Eine Arbeit, die das Universal-Lexicon ausgehend von dieser Bemerkung analysiert, gibt Nicola Kaminski: Die Musen als Lexikographen. Zedlers Grosses vollständiges Universal-Lexicon im Schnittpunkt von poetischem, wissenschaftlichem, juristischem und ökonomischen Diskurs, in: Daphnis 29 (2000), S. 649–693.

30 Ludewig: Vorrede über das Universal-Lexicon (wie Anm. 29), § 14, S. 6. Die Verfasser der Artikel, die nicht plagiiert wurden, sind weitgehend unbekannt. Vermutungen, dass Gottsched am Lexikon beteiligt war, sind, auch wenn Robert Collison: Encyclopaedias. Their History throughout the Ages, 2. Aufl. New York/London 1966, S. 105 dies als Tatsache hinstellt, nie belegt worden. Dass es nur neun Mitarbeiter gegeben haben soll, erscheint zweifelhaft, zumal für die vom Umfang wesentlich geringere Encyclopédie von Diderot und D’Alembert 135 Beiträger bekannt sind; vgl. Frank A. Kafker: The Encyclopédie in relation to the nine predecessors, in: Notable Encyclopedias of the Seventeenth and Eighteenth Centuries. Nine Predecessors of the Encyclopédie, hrsg. v. dems., Oxford 1981, S. 223–237, hier 223 u. Ulrich Johannes Schneider: Zedlers Universal-Lexicon und die Gelehrtenkultur des 18. Jahrhunderts, in: Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680–1780, hrsg. v. Hanspeter Marti u. Detlef Döring, Basel 2004, S. 195–213, hier 195–200.

31 Ludewig: Vorrede über das Universal-Lexicon (wie Anm. 29), § 14, S. 6.

32 Zedler erwähnt in Nöthiger Vorbericht (wie Anm. 3), Bl. )( 1 r explizit Gelehrte als Ungelehrte, für die sein Lexikon von Vorteil sei.

33 Vgl. Reinhard Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels, durchges. u. erw. Aufl., München 1999, S. 186–217.

34 Darüber hinaus gibt es einige wenige philosophiegeschichtlich orientierte Artikel, z. B. Art. Neue Democriticker, in: Zedler (wie Anm. 2), XXIV, Sp. 51, aber auch politikgeschichtliche wie z. B. Art. Pariser Hochzeit, in: Bd., XXVI, Sp. 964–968.

35 So Richard Yeo: Ephraim Chambers’s Cyclopædia (1728) and the Tradition of Commonplaces, in: Journal of the History of Ideas 57 (1996), S. 157–175, hier 174.

36 N. N.: The English Cyclopædia. A New Dictionary of Universal Knowledge […], in: Quarterly Review 113 (1863), S. 354–387, hier 379.

37 Eine ausführlichere Darstellung dieses Abschnitts findet sich in Nico Dorn/Lena Oetjens/Ulrich Johannes Schneider: Die sachliche Erschließung von Zedlers Universal-Lexicon. Einblicke in die Lexikographie des 18. Jahrhunderts, in: Das achtzehnte Jahrhundert 32 (2008), S. 96–125, hier 107–123. Vgl. zur enzyklopädischen Praxis in der Frühen Neuzeit Schneider: Erfindung des allgemeinen Wissens (wie Anm. 15), bes. 13–23.

38 Vgl. Dreitzel: Zedlers Großes vollständiges Universallexikon (wie Anm. 8), S. 117 f.

39 Das Bsp. folgt z. T. Kossmann: Deutsche Universallexika des 18. Jahrhunderts (wie Anm. 10), Sp. 1585.

40 Vgl. z. B. Art. Prüfung (Gewissens-), in: Zedler (wie Anm. 2), XXIX, Sp. 1028 f., Art. Regen (Aschen-), in: Bd., XXX, Sp. 1746–1749 od. Art. Zimmern, (Frauen-), in: Bd., LXII, Sp. 765 f.

41 Bd., IV, Sp. 1581.

42 Z. B. Zedler: Nöthiger Vorbericht (wie Anm. 3), Bl. )( 2 r, wo wiederholt von der nötigen Reinlichkeit des Deutschen die Rede ist, auf die der jüngst zum Herausgeber berufene Ludovici in den Artikeln genau zu achten habe.

43 Ludewig: Vorrede über das Universal-Lexicon (wie Anm. 29), § 7, S. 3.

44 Vgl. Ludovici: Vorrede (wie Anm. 7), S. 3, wo in die Vorrede Artikel eingerückt wurden, was Ludovici wie folgt begründet: Einige wenige solcher übermachten Nachrichten sind zu späte eingelauffen, daß sie nicht in ihrer alphabetischen Ordnung haben mit eingerücket werden können; weil aber doch manche darunter von solcher Erheblichkeit ist, daß ich mit Recht Bedencken getragen habe, dieselben der Welt bis allererst in die Supplemente vorzuenthalten, so habe ich vor gut befunden, die merckwürdigsten und vollständigsten in dieser Vorrede mitzutheilen.

45 Zedler (wie Anm. 2), IX, Sp. 241.

46 Bd., XXIX, Sp. 373.

47 Bd., Suppl. III, Sp. 1386.

48 Johann Kanold (Hrsg.): Sammlung Von Natur- und Medicin- Wie auch hierzu gehörigen Kunst- und Literatur-Geschichten, 38 Bde., Breslau 1717–1726, hier Bd. 34 (1725), S. 480 u. Bd. 18 (1721), S. 421–427.

49 Zedler (wie Anm. 2), IX, Sp. 1782–1784.

50 Amaranthes (eigtl. Gottlieb Siegmund Corvinus): Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon, Leipzig 1715 (Ndr., Frankfurt a. M. 1980), Sp. 573–578.

51 Das Ausschreiben von Vorläuferwerken ist bei der Produktion lexikalischer Werke in dieser Zeit keineswegs unüblich gewesen; vgl. Kafker: The Encyclopédie (wie Anm. 30), S. 227. Selbst Zedlers Gegner verfuhren für ihre eigenen Produkte nicht immer anders; vgl. Fritz Juntke: Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universallexikon. Ein Beitrag zur Geschichte des Nachdruckes in Mitteldeutschland, in: Fritz Juntke zu seinem 70. Geburtstag am 3. September 1956, Halle a. d. Saale 1956, S. 13–32, hier 22. Ludewig: Vorrede über das Universal-Lexicon, in: Zedler (wie Anm. 2), I, § 21–23 widmet sich den Plagiatsvorwürfen gegenüber Zedler ausführlich und argumentiert in § 22, S. 15: Wann einmal eine Wahrheit im öffentlichem Druck ist; so kann sich derselben ein ieder bedienen. Dass Zedler sich selbst – mit Erfolg – um Druckprivilegien für das Universal-Lexicon bemühte, zeigt, dass ihm das Problem bewusst war. Vgl. zu frühen Druckprivilegien und Plagiatsklagen Karl Schottenloher: Die Druckprivilegien des 16. Jahrhunderts, in: Gutenberg Jahrbuch 8 (1933), S. 89–110.

52 Man bewirkte ferner, dass die erste Auflage des ersten Bandes von der Leipziger Bücherkommission eingezogen wurde. Ausführlich hierzu Juntke: Johann Heinrich Zedlers Universallexikon (wie Anm. 51) u. Quedenbaum: Johann Heinrich Zedler (wie Anm. 1), S. 72–113.

53 Zedler (wie Anm. 2), XXXIX, Sp. 707–709.

54 Johann Georg Walch (Hrsg.): Philosophisches Lexicon, 2. Aufl., Leipzig 1733, Sp. 2431–2433.

55 So im Art. Krieg, in: Zedler (wie Anm. 2), XV, Sp. 1889–1898.

56 Z. B. Art. Siegs-Recht, in: Walch (wie Anm. 54), Sp. 2371 f. u. in Zedler (wie Anm. 2), XXXVII, Sp. 1102 f.

57 Kanold: Sammlung (wie Anm. 48), Bd. 3 (1718), S. 588–594.

58 Zedler (wie Anm. 2), XV, Sp. 1544–1554.

59 Vgl. die Liste in Dorn/Oetjens/Schneider: Die sachliche Erschließung (wie Anm. 37), S. 125; die Liste erneut in Schneider: Erfindung des allgemeinen Wissens (wie Anm. 15), S. 81.

60 Vgl. zu konkreten Uneinheitlichkeiten der lexikalischen Produktionspraxis Schneider: Erfindung des allgemeinen Wissens (wie Anm. 15), S. 49–63.